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150 Geschichten

150 Jahre sind eine lange Zeit. Wir möchten sie in vielen kurzen Geschichten erzählen. Haben Sie auch eine auf Lager? Dann freuen wir uns auf Ihre eigene Liebenau-Geschichte, die wir gerne hier veröffentlichen. Klicken Sie dazu einfach auf das transparente Polaroid-Foto.

Endlich einen Namen für alles. Auch im Jubiläumsjahr der Stiftung Liebenau kommen immer mehr junge Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung ins BBW, um dort in einem für sie geeigneten Umfeld und mit der nötigen Unterstützung den Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Doch noch immer erhalten viele Betroffene ihre Diagnose erst spät, wie etwa Jan. „Man scheitert, aber man weiß nicht warum“, berichtet er über seinen langen Leidensweg, bis er mit der Diagnose Autismus „endlich einen Namen für alles“ bekommen hat – und im BBW in Ravensburg einen Ausbildungsplatz als Fachinformatiker, an dem er sich wohl und verstanden fühlt.
Endlich einen Namen für alles
Beruflicher Neustart. Ob berufliche Wiedereinsteiger, Umschüler oder Menschen mit Migrationshintergrund: Längst hat sich das BBW gegenüber neuen Zielgruppen geöffnet und bietet auch für Erwachsene über 25 und ohne Behinderungen die Chance auf neue berufliche Perspektiven. So absolviert die 35-jährige Ex-Gymnasiastin Serpil Reitenbach im Berufsbildungswerk eine betriebliche Nachqualifizierung zur Kauffrau für Bürokommunikation. „Ich wollte schon immer im Büro arbeiten. Sachen organisieren, Kundengespräche führen, mit dem Computer umgehen.“ Sie sei eben ganz der „Organisationstyp“, meint sie seinerzeit gegenüber der „Auf Kurs“. Die Karriere auf Umwegen gelingt: Serpil Reitenbach bleibt nach ihrem Abschluss sogar im BBW und findet dort als Assistentin der Abteilungsleitung Bildung und Arbeit ihren Traumjob.
Beruflicher Neustart
Vom Sonderschüler zum Meister. Frank wächst in seiner Heimat auf der Ostalb in schwierigen Familienverhältnissen auf. Neun Jahre besucht er die Sonderschule für Lernbehinderte. Und was nun? Auf Vorschlag des Arbeitsamtes kommt er 1984 in das noch junge Berufsbildungswerk nach Ravensburg. Im Förderlehrgang zeigt sich: der eigentlich anvisierte Gärtnerberuf ist nichts für Frank, stattdessen beginnt er eine Ausbildung als Maler und Lackierer und zeigt dort beste Leistungen. Den angebotenen Wechsel in die Regelausbildung traut sich der junge Mann aber noch nicht so richtig zu: „Lieber eine bestandene Fachwerker-Prüfung als eine nicht bestandene Vollausbildungs-Prüfung“, lautet sein Motto. Nach dem Abschluss findet er in seiner Heimat einen Job. Sein Chef legt ihm einen Meisterkurs nahe. Doch dafür fehlt der Gesellenbrief. Mit Hilfe eines Lehrers aus dem BBW büffelt er für diese nachträgliche Prüfung, die er dann tatsächlich mit sehr guten Noten im Frühjahr 1993 absolviert.
Vom Sonderschüler zum Meister
Als die Busse kamen. Der lernbehinderte Erich kommt als Zwölfjähriger im Frühjahr 1935 ins Landerziehungsheim der Stiftung Liebenau nach Rosenharz – in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten im Deutschen Reich die Macht übernommen haben. Der unmenschlichen NS-Herrschaft fielen auch Bewohner aus Rosenharz zum Opfer. Erich ist Augenzeuge, als die ersten Menschen von dort abtransportiert werden. Mehr als 50 Jahre nach diesem schrecklichen Erlebnis schildert er seine Beobachtungen einmal in eigenen Worten: „Alle mussten in der Pforte warten, und dann sind sie in den Hof gegangen. Dann haben sie sie in die Busse geschuckt, mit Stempel drauf, wie ein Stück Vieh. Als die Wägen zum zweiten Mal kamen, durfte keiner mehr im Hof sein, wir sollten das nicht sehen. Ich habe mich im Heustock versteckt und zugeschaut.“ Weil er arbeitsfähig ist, bleibt Erich selbst verschont. Wochen später erfährt er aber vom Tod seines Vaters, der in Liebenau gelebt hat und Anfang Juli 1940 deportiert worden ist.
Als die Busse kamen
Erste Bildungskonzepte. Zusammen mit anderen jungen Menschen mit Behinderungen lebt der junge Oberschwabe – wir nennen ihn Georg – in dem 1906 im Neubau des „Gut-Betha-Hauses“ in Liebenau eingerichteten Kinderheim, in dem es auch Schulräume gibt. Inspektor Otto Weber, der damalige Liebenauer Anstaltsleiter, beschreibt die pädagogische Arbeit dort als das, was man als erstes Bildungskonzept der Stiftung bezeichnen könnte: „Wir möchten den Kindern, deren geistige Entwicklung gehemmt ist, oder die infolge körperlicher Leiden dem Klassenunterricht der Normalschule nicht zu folgen vermögen, zu einer ihrem Zustande angepassten Erziehung verhelfen und sie dadurch zu einem menschenwürdigen Dasein befähigen.“
Erste Bildungskonzepte
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Kreativ in der Krise. Sieben Wochen lang allein zuhause büffeln ist nicht einfach. Die Corona-Pandemie stellte den Alltag vieler Schülerinnen und Schüler im Frühjahr 2020 auf den Kopf, ließ ihnen aber auch Zeit für Kreativität – wie bei Johanna Friesen. Johanna besuchte die Ausbildungsklasse im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) und verbrachte die Zeit der vorübergehenden Schließung bei ihrer Familie. Der Lernstoff kam per E-Mail, und immer wieder klingelte das Telefon. „Wir haben unsere Teilnehmenden während dieser Zeit weiterhin auch eng sozialpädagogisch betreut“, erzählt Oliver Schweizer, Leiter der Abteilung Bildungsbegleitung. „In einem Elternbrief habe ich dann dazu aufgerufen, die besondere Situation doch auch mal für etwas Kreatives zu nutzen - vielleicht ein Bild zu malen.“ Johanna Friesen fand die Idee toll und griff zum Pinsel. „Bäume im Herbst spiegeln sich im Wasser“, nannte sie ihr Acrylbild. Anregungen für die Maltechnik habe sie sich in verschiedenen Internet-Videos geholt. Bei der Rückkehr ins BBW brachte sie das Werk schließlich mit – sehr zur Freude ihrer Ausbilder und der Geschäftsführung. Die Hobbykünstlerin wurde mit einem Einkaufsgutschein belohnt, ihr Bild hängt seitdem als Leihgabe im BBW.
Kreativ in der Krise
Jung und Alt halten zusammen. Ende Mai 2020 befinden sich die Schüler des Montfort-Gymnasiums in Tettnang – wie viele andere auch – seit sieben Wochen im „Homeschooling“. Sie müssen die schulischen Arbeitsaufträge aller Unterrichtsfächer zu Hause eigenständig erledigen. Oft ist die ganze Familie involviert und gefordert. Keine leichte Situation, die durch die erste Corona-Welle entstanden ist. Auch für viele alte Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören, stellt die Situation eine große Herausforderung mit vielen Entbehrungen dar: So müssen auch insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen auf ausgiebigen Besuch, Ausflüge und vieles mehr verzichten. Eine kleine Sportgruppe, bestehend aus Mädchen der 6. Klasse, hat in dieser Situation zusammen mit ihrer Lehrerin Christine Höllwarth überlegt, wie sie den Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses der Pflege St. Konrad in Kressbronn aus der Ferne eine kleine Freude bereiten könnten. Mit viel Liebe haben die Mädchen Bilder mit ganz persönlichen Wünschen gestaltet und gemalt, um den Heimbewohnerinnen eine Freude zu machen, Grüße zu senden und sie wissen zu lassen, dass sie an sie denken. „Jung und Alt halten zusammen“, so Christine Höllwarth.
Jung und Alt halten zusammen
Mundschutz aus dem Nähwerk. In Frühjahr 2020 ging es los: Corona in aller Munde. Damit es sich von dort nicht weiter verbreiten konnte, waren Masken gefragt. Ob gepunktet, mit Blümchen oder gestreift: Wer nähen konnte, konnte in dieser Zeit etwas für sich und seine Mitmenschen tun. Nämlich eine Mund- und Nasenabdeckung selber nähen. Das Liebenauer Nähwerk machte es vor: Es stattete alle Mitarbeitenden der Stiftung Liebenau mit den Behelfsmasken aus. Und damit möglichst viele von der Idee profitieren und sich selbst und ihre Lieben ausstatten konnten, hatte Nähwerk-Mitarbeiterin Anna Forstenhäusler ein Video mit der Näh-Anleitung gedreht. „Für Geübte ist das wirklich ein Kinderspiel. Wir hoffen, dass möglichst viele sich an ihre Nähmaschine setzen und loslegen. Kleine Stoffreste reichen da schon aus.“ Keine kurzfristige Investition, wie wir inzwischen wissen.
Mundschutz aus dem Nähwerk
"Ich bin Romni – mit Leib und Seele." Leylyá Hjuseín ist in Maxuda, einem verarmten Stadtteil von Varna, aufgewachsen. Sie machte Abitur, als einzige Romni ihres Jahrgangs. Damals schon dolmetschte sie für Bekannte. Heute unterstützt sie die Romnja als Sozialarbeiterin, wird geachtet und gehört – denn sie ist eine von ihnen. „Ich heiße Leylyá. Mein Name bedeutet Mondschein. Meine Muttersprache ist Türkisch. Für mich ist sie reich, lyrisch und melodisch. Ich bin Romni – mit Leib und Seele. Die Romnja-Seele ist wie die der Kinder: groß, voller Liebe und immer für andere da, immer bereit zu geben. Aufgewachsen bin ich in einer Romnja-Familie mit Großmutter, Vater, Mutter, älterem Bruder und jüngerer Schwester. Alle Leute in dem verarmten Stadtviertel Maxuda haben unsere Familie und vor allem meinen Vater sehr geachtet, weil er das Abitur hatte. Die meisten waren Analphabeten und sprachen nur Türkisch. Wer einen Brief bekam oder einen Antrag schreiben musste, ist zu meinem Vater gekommen, und später, als ich lesen und schreiben konnte, auch zu mir. Es hat mir große Freude bereitet, Nachbarn ins Krankenhaus zu begleiten, um für sie zu übersetzen. In meiner Grundschule lernten Romnja und Bulgarinnen gemeinsam. In der weiterführenden Schule dann war ich die einzige Romni. Da ich nur bulgarische Kinder um mich herum hatte, konnte ich meine bulgarischen Sprachkenntnisse schnell vervollkommnen und habe die bulgarische Kultur kennengelernt. Auf der anderen Seite musste ich die Vorurteile gegenüber meiner ethnischen Herkunft ertragen. Ich machte das Abitur mit der Fachrichtung Verkaufsberaterin und Kassiererin. Dann arbeitete ich als Verkäuferin, Putzfrau oder Küchenhilfe je nachdem, wo ich was fand – bis ich das Sozialwerk kennenlernte. Leider gibt es auch heute noch viele Menschen in Maxuda, die nicht lesen und schreiben können. Mit meiner Familie lebe ich heute im Varnaer Stadtteil Asparuchovo. Ich freue mich, dass meine Kinder ihre Schulbildung abgeschlossen haben und meine Tochter Grundschulpädagogik studiert. Bald wird sie andere Romnja unterrichten. Mein großer Traum ist, dass möglichst viele Romnja Zugang zu höherer Bildung bekommen. Denn nur so sind sie stark genug, um auf den eigenen Füßen stehen können.“
"Ich bin Romni – mit Leib und Seele."
Eine besondere Landpartie. Zu meinem Bewerbungsgespräch in Liebenau bin ich Ende 2014 mit Zwischenstopp bei meiner Verwandtschaft in Meersburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist. Mit zwei Schulkindern saß ich nach dem letzten Umstieg im Bus und fuhr von oben nach Liebenau ein. Zwischenzeitlich war ich sicher, vollkommen falsch zu sein und irgendwo zwischen Hopfenfeldern und Apfelplantagen verloren zu gehen. Der Busfahrer wirkte nicht so, als ob er mit Fremden sprechen wollte. Und Netz hatte ich auch keins. Na toll. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Als der Bus dann tatsächlich in Liebenau hielt, fiel mir ein Stein vom Herzen. Und ich war viel zu früh. Ich beschloss, eine Runde über das Gelände zu gehen. Schon nach wenigen Schritten wurde ich von einem jungen Mann im Rollstuhl angesprochen. Ob ich nicht eine Zigarette habe? Leider nicht – die Enttäuschung war groß. Trotzdem hörte ich seine Geschichte, dass ihm leider eine Glasflasche auf den Kopf geschlagen wurde und zack, nun sei er hier. Und ich hatte wirklich keine Zigarette? Dass er aber bald wieder stehen könne. Ach, ich könnte ihn gerade mal halten – und schon stand er auf und wieder beschleunigte sich mein Herzschlag. Wenn nun etwas passierte? Gehört das schon zum Bewerbungsgespräch? – schoss es mir durch den Kopf. Oh Gott, unsicher schaute ich mich um – wurde ich beobachtet? Jetzt müsse er aber wirklich los, keine Zeit, sagte der junge Mann und nahm wieder Platz im Rollstuhl. Ich stammelte ein „Das ist aber schön, dass das schon wieder so gut geht“ und fühlte mich furchtbar dumm. Hey! – ich zuckte zusammen, als er der nächsten Person laut zurief, ob sie nicht eine Zigarette für ihn habe. Ich ging langsam auf das Schloss zu, in dem das Gespräch stattfinden sollte. Dort wurde ich dann gleich nach meiner Anreise gefragt und erntete ein lautes und verwundertes Lachen, als ich von öffentlichen Verkehrsmitteln sprach. Nach dem Gespräch rief ich meine Mutter an: Mama, wenn das hier was wird, brauche ich ein Auto. Und vielleicht sollte ich anfangen zu rauchen.
Eine besondere Landpartie
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Fasnetsaufklärung. In der Stiftung Liebenau wurden in 2015 Flüchtlinge in einem eigens dafür umgebauten Teil der Kirche aufgenommen. An Markus Ebenhoch, Mitarbeiter der Stiftung Liebenau, wurde eine Bitte herangetragen, von deren Umsetzung er hier erzählt: „‘Sie sind doch in einer Faschingszunft - könnten Sie da nicht unseren Flüchtlingen erklären, was es damit auf sich hat?‘ Na ja. Erstens haben wir ja hier am Bodensee Fasnet und dürfen das Unwort „Fasch ...“ nicht mal denken. Und - wie soll ich denn so was erklären, verstehbar machen? Aber trotzdem hab ich gerne zugesagt und gleich überlegt, welche Aspekte zu berücksichtigen sind: Ursprung carne vale, Abgrenzung zu Karneval, historische Entwicklung und Ausprägung, Sinn und Unsinn. Schnell ins Englische übersetzt und auf geht's. Mit ein paar "meiner" Hangenweible im Fasnetshäs und einer Kollegin im Häs der Buchhornhexen besuchten wir also die Flüchtlinge. Sie setzen sich im Kreis, manchem Kind war die Verkleidung etwas unheimlich und es musste getröstet werden. Höflich interessiert hörten sie meinen Ausführungen zu. Dass unsere etwas furchterregenden Verkleidungen dazu da seien Freude zu verbreiten, wurde eher andächtig und vermutlich etwas ungläubig aufgenommen. Dann wollten wir ein wenig zeigen, wie es so zugeht in der Fasnet, warfen Bonbons, setzten unsere Masken auf, starteten die Musik, nahmen die Kleinen an der Hand und lehrten sie den "Ententanz". Da strahlten uns deren Augen mit einer solchen Herzlichkeit an, sie tanzten mit, freuten sich über die Bonbons, einige setzten unsere Masken auf und fotografierten sich gegenseitig. Nie zuvor hatte ich so freudestrahlende Kindergesichter gesehen - und nie gedacht, dass der Ententanz mal zum Kulturbotschafter würde. Für mich wurde es zum schönsten Erlebnis meiner 10-jährigen aktiven Zeit als Fasnetsnarr.“
Fasnetsaufklärung
„Die Außergewöhnlichen“ spielen Theater. Die etwas andere Weihnachtsgeschichte der Theatergruppe „Die Außergewöhnlichen“ in Rosenharz: Gespielt wird „Jesus feiert Weihnachten“ mit viel Talent, Hingabe und Übung. Peter Böhringer berichtet von den Proben. Die zehn Leute treffen sich jeden Donnerstag. Holger Niegel führt Regie. Rosi Sauter trainiert mit den Theaterspielern. Eine Übung war zum Beispiel, zu spielen wie man müde ist. Zuerst musste man das ohne und dann mit Maske spielen. Wenn man eine Maske vor dem Gesicht hat, müssen die Theaterspieler viel mehr die Körpersprache einsetzen. Es wird auch geübt, wie man einen Herbergswirt spielen kann. Jeder durfte vorführen, wie er ihn spielen würde. Eine typische Szene ist, wie der Wirt eine Bestellung entgegennimmt, den Wein einschenkt und den Gast bedient. Andere Szenen, die geübt werden müssen, sind, wie der Wirt versucht die Gäste rauszuschmeißen – die aber lieber noch was trinken möchten – oder wie er die Gaststätte aufräumt. Jeder Theaterspieler bekommt die Rolle von der Regie zugeteilt, die gut zu ihm passt.
„Die Außergewöhnlichen“ spielen Theater
Mein Lieblingsfluss: die Argen. Heribert Danner ist ein Naturbursche und nimmt die Natur intensiv wahr. Seine Exkursionen sind oft außergewöhnlich. Seit 1978 habe ich von meinen Eltern aus immer wieder mit dem Fahrrad Tages- und Wochenendtouren an die Argen gemacht. In den Sommermonaten – und vor allem ab 1997 als ich nach Tettnang gezogen bin, wanderte ich regelmäßig mit Badesandalen im – wohlbemerkt im – Flussbett stromabwärts. Außerhalb des Bettes wanderte ich flussaufwärts über Felder, Wiesen und durch Wälder zurück zum Fahrrad. Wenn Sie so einen abenteuerlichen Mann im Sommer in der Argen treffen, dann bin ich das. Einen Doppelgänger habe ich in den vergangenen 30 Jahren nicht getroffen. Im Februar 1972 bekam ich seinerzeit von meinem Großvater zwei Zeitschriften des Bundes für Naturschutz in Oberschwaben der Jahrgänge 1965 und 1966. Darin war die Schönheit der Fließgewässer Obere Argen, Untere Argen, Vereinigte Argen samt ihrer Täler und auch ihre Schutzwürdigkeit dargestellt. Die Argenlandschaft war damals durch das Argenprojekt (EVS – Energieversorgung Schwaben) durch Trockenlegung großer Flussstrecken, durch Kanalbau und zwei Stauseen stark bedroht. Anhand der Texte in den Zeitschriften über die Argen machte ich – noch bevor ich jemals an dem Fluss selbst war – im Frühsommer 1972 ein Gedicht.
Mein Lieblingsfluss: die Argen
Ein Weihnachtsbaum für die Hasen. Ich heiße Mario Miltz und wohne in Hegenberg. Ich habe mit Christoph Meier ein Hasenhaus für unsere Hasen gebaut. Sie heißen Klopfer und Batman. Die Hasen sind getrennt im Hasenhaus, weil sie streiten. Im Hasenhaus stehen zwei rote Stühle, auf denen wir sitzen. Jeden Tag müssen wir die Hasen füttern. Klopfer bekommt Löwenzahn, Karotten, Maiskolben, Birnen und buntes Hasenfutter und Wasser. Wenn wir kein Futter mehr haben, müssen wir auf den Einkaufszettel Karotte und Trockenfutter schreiben. Jeder kauft eine Packung. Misten tun wir nur bei schönem Wetter. Der Mist kommt in einen grauen Sack. Dann kommt weißes Sägemehl in den Stall. Im Hasenhaus müssen wir mit dem Besen kehren. Einmal ich, einmal Christoph. Ich nehme Klopfer auf den Arm und streichle ihn. Die Mitarbeiter müssen dabei sein. Ich habe Angst, dass er abhaut. Klopfer ist weggelaufen. Er war unter einem Auto. Ich habe gewartet bis er unter dem Auto vorgekommen ist. Dann habe ich ihn eingefangen. Abends schlafen die Hasen alleine im Haus. Im Winter dürfen die Hasen ins Haus St. Irmgard. Die Ställe stellen wir auf den Balkon. Die Ställe decken wir mit Decken zu. Ich kaufe einen kleinen Weihnachtsbaum für Klopfer und Batman. Sie bekommen eine Packung Körner zu Weihnachten.
Ein Weihnachtsbaum für die Hasen
Klettern, ein richtiges „Lebenserlebnis“. Klettern in der DAV-Kletterhalle in Kempten hieß es bei der Offenen Hilfe Hüttenfreizeit im Kreuzbachtal. Torsten Calamiello war dabei. Unser Kletterlehrer war ein Polizist, der uns in aller Ruhe die Technik erklärt hat. Zu Beginn wurde jeder von uns in die Sicherheit eingewiesen, unter anderem wie man den Klettergurt richtig anlegt. Wir haben nicht nur den Klettergurt, sondern auch echte Kletterschuhe bekommen. Als wir oben an der Decke angekommen sind, mussten wir laut „Zu“ rufen. Das hieß: Wir waren gesichert und konnten nicht mehr fallen. Wenn wir dann runter gelassen werden wollten, mussten wir „Ab“ rufen. Dann ging’s in so genannten Sprungschritten in Nullkommanichts wieder nach unten. Es war sowas von ungewohnt, Angst hatte ich ein bisschen, aber ich fühlte mich schon sicher. Man sollte nicht nach hinten oder unten schauen, sonst gibst du in der Mitte der Strecke auf. Nachdem jeder ein paar Mal zur Hallendecke geklettert war, sind wir noch Bouldern gegangen. Bouldern ist Klettern ohne Gurt. Die reinste Form des Kletterns. Wir sind verschiedene Touren geklettert und durch einen Tunnel gekrochen. Nach dem Bouldern waren wir alle nassgeschwitzt. Es war nicht nur toll: Es war für mich ein richtiges Lebenserlebnis.
Klettern, ein richtiges „Lebenserlebnis“
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Ein Zeichen der Gleichwertigkeit.Zum 100-jährigen Bestehen bekam die Stiftung Liebenau ein eigenes Logo, das in veränderter Form bis heute besteht. Monsignore Dr. h.c. Norbert Huber, der damalige Stiftungsdirektor, beschreibt den Entstehungsprozess des Bildzeichens Ende der 1960er Jahre: „Wir haben in unserer christlichen Sozialisation immer das Bild der Barmherzigkeit. Aber das war eben ein Barmherzigkeitsbegriff, der von oben nach unten ging. Ich fand aber, wir brauchen ein Verständnis unseres Tuns und Handelns, das ein bisschen anders ist als das bisherige. Das vorher war ja nicht schlecht, aber ich fand es nicht mehr zeitgemäß. Es ist doch ein gravierender Unterschied, ob ich sage, der arme Kerl da unten kriegt jetzt von mir ein ,Zehnerle,‘ oder ob ich sage, der kann sich sein ,Zehnerle‘ selber erarbeiten, wenn ich ihn dazu befähige, wenn ich ihn ernst nehme. Wenn ich ihm zeige, dass er ein Stück weit Eigeninitiative entwickeln kann. Hier beginnt die Augenhöhe. Dafür muss der eine aufstehen und der andere sich nicht mehr bücken. Das wollte ich bildhaft ausdrücken. Auf dem Katholikentag 1964 hatte ich den Künstler Roland Peter Litzenburger kennengelernt. Einen streitbaren Geist, der mir gut gefiel. Er hatte den Einband der Bibel für den Katholikentag 1964 in Stuttgart gestaltet, von dem ich beeindruckt war. So kamen wir ins Gespräch. Er lebte in Leimbach bei Markdorf. Daran habe ich mich wieder erinnert, als ich auf der Suche war nach jemandem, der mir hilft, das Logo zu erschaffen. Er hatte einen Bilderzyklus geschaffen über den barmherzigen Samariter. Eines der Bilder aus diesem Zyklus wurde die Vorlage für das künftige, bis heute gültige Logo der Stiftung Liebenau. Die Nächte, die wir miteinander um die beste Lösung gerungen haben, werde ich nie vergessen. Wenn man die Originalgrafik sieht, dann erkennt man: Der Samariter beugt sich über den am Boden Liegenden. Ich wollte aber, dass der Liegende ebenfalls steht, und zwar dem Samariter gegenüber. An dieser Stelle hat übrigens mein eigener Denkprozess erst so richtig begonnen. Wir haben also den Liegenden langsam aufgerichtet, und daraus ist das abstrakte Logo entstanden. Am Ende haben wir ein Bild gefunden, das dem Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen am nächsten kam, und ich finde, das Logo trägt bis heute – auch wenn es sehr abstrakt ist und man sicher als Außenstehender zweimal hinschauen muss."
Ein Zeichen der Gleichwertigkeit
Finanzverwaltung per Notizbuch. Als Monsignore Dr. h.c. Norbert Huber Ende der 1960er Jahre als Direktor nach Liebenau kam, musste er sich sofort mit der Verwaltung und der Haushaltsführung der Stiftung auseinandersetzen. Hier hatte die Moderne noch nicht Einzug gehalten. Huber erinnert sich: „In der Verwaltung traf ich auf Schwester Aurelia. Sie war nicht nur die Jüngste, sondern war als Sekretärin des Direktors mit vielen verantwortungsvollen Aufgaben betraut. Schwester Aurelia hat unter anderem den wenigen Angestellten einmal im Monat das Gehalt ausbezahlt. Das hat man damals noch bar ausbezahlt. Ein Konto hatten die wenigsten. Eine andere Schwester hat die Buchhaltung gemacht, und eine dritte hat die Behinderten-Angelegenheiten verwaltet, also die Aufnahme der Menschen mit Behinderungen, die Verwaltung der Personalakten und anderes mehr. Sie hielt die Kontakte mit den Kostenträgern. Auch ihr Aufgabengebiet war sehr genau und verantwortungsbewusst zu bewerkstelligen. Das muss man sich heute vorstellen: Drei Ordensschwestern haben den gesamten Apparat betreut. Einen Haushaltsplan gab es nicht. Mein Vorgänger hat sämtliche Einnahmen und Ausgaben in seinem eigens dafür angelegten Notizbüchlein eingetragen. Das gibt es leider nicht mehr. Es wäre ein wundervolles Dokument von paternalistischer Haushaltsführung. Aber man könnte es ohnehin nicht lesen: Der gute Onkel Max hatte eine derartig kleine Schrift. Winzig klein. Deshalb benötigte er in seiner gesamten Amtszeit auch nur ein Notizbuch. Geld wurde nur ausgegeben, wenn man welches hatte. Kamen also 1000 Mark rein, hat er überlegt, was davon gekauft und wie viel für spätere Investitionen zurückgelegt werden sollte. Kredite aufzunehmen, um notwendige Investitionen zu finanzieren, war undenkbar.“
Finanzverwaltung per Notizbuch
Eine Zustiftung des Heiligen Geistes. Die Stiftung Liebenau besitzt einen kleinen Weinberg in Kressbronn. Wie kam es zu diesem? Anfang der 2000-Jahre wurde die Erneuerung des dortigen Pflegeheims St. Konrad nötig, das an einem Hang mit Blick auf den Bodensee liegt. Um bei dem geplanten Neubau die Belastung der Anwohner durch den nötigen Verkehr mit Baufahrzeugen zu vermeiden, hatte die Gemeinde die Idee, eine Bauzufahrt zum Pflegeheim zu schaffen, von der Bundesstraße durch die Landwirtschaftsflächen. Einer der dortigen Grundstückseigentümer knüpfte seine Zustimmung allerdings an den Vorbehalt, dass er auf einem dortigen, der Stiftung gehörenden, Grundstück Reben anpflanzen dürfte. Die Neuanpflanzung von Rebenflächen war und ist sehr reglementiert und nur mit Genehmigung möglich. Es gelang der Gemeinde jedoch, für das Stiftungsgrundstück ein Rebanpflanzungsrecht zu erlangen. Schlussendlich kam es zwar nicht zur Realisierung der Bauzufahrt, das Rebrecht auf dem Liebenauer Grundstück war aber bereits geschaffen. In der Folge pflanzte die Stiftung Liebenau auf diesem ihr gehörenden Hanggrundstück rote Spätburgunder- und weiße Müller-Thurgau-Trauben an, die Grundlage für den eigenen Stiftungswein. Da man sich eine solch originelle Entstehungsgeschichte kaum hätte ausdenken können, hieß es fortan, der Weinberg sei eine Zustiftung des Heiligen Geistes.
Eine Zustiftung des Heiligen Geistes
Dabei sein ist alles. Zwei Fußballer aus Hegenberg kicken in Brasilien bei der Fußball-Weltmeisterschaft für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Mit Florian Schumacher und Markus Stehle waren gleich zwei Kicker von der Lokomotive Hegenberg im Deutschen Nationalteam. Es spielte gegen Mannschaften aus Japan, Polen, Saudi-Arabien, Südafrika, Schweden, Frankreich und natürlich Brasilien. Entsendet wurde die Fußballnationalmannschaft vom Deutschen Behindertensportverband (DBS). Weniger als 100 Meter vom Meer entfernt lag das Hotel der Deutschen Fußballnationalmannschaft. Einige Trainingseinheiten waren am Strand – teilweise schon vor dem Frühstück unter Anleitung von Bundestrainer Jörg Dittwar. „Täglich standen mehrere Trainingseinheiten auf dem Programm, aber am Strand und beim Baden im Meer hatten die Jungs natürlich auch ihren Spaß“, sagt Trainer Marcel Wohlgemuth von der St. Gallus-Hilfe, der als Coach in Brasilien dabei war. Am Ende reichte es zwar nur für den achten Platz, aber: Dabei sein ist alles. „Diese wertvolle Erfahrung kann den Jungs niemand mehr nehmen“, so Wohlgemuth.
Dabei sein ist alles
Selbst gestalten statt behütet werden. Er hatte ein ruhiges Leben mit geregelten Abläufen bei der Stiftung Liebenau. Rund 50 Jahre lang. Doch Dieter Wühr vermisste etwas: mehr Selbstständigkeit. Er zog in die „Brauhausvilla“, mitten in Ravensburg. „Ich wollte irgendwo hin, wo ich mein Leben selber gestalten kann.“ Als Dieter Wühr diesen Schritt tun konnte, war er 57 Jahre alt, das Datum hat sich fest in sein Gedächtnis eingebrannt: „Am 22. Dezember 2005 bin ich hier eingezogen.“ „Hier“, das ist die Brauhausvilla, die die St. Gallus-Hilfe in der Ravensburger Friedhofstraße angemietet hat und in der insgesamt 16 Menschen mit Unterstützungsbedarf leben. Die kleine Erdgeschosswohnung ist die neue Heimat von Dieter Wühr: Zwei Zimmer, Küche, Bad, ein kleiner Vorraum. Genug Platz für sich selbst und seinen Mitbewohner, findet Wühr. Es sind die Aufgaben, die in einem weitgehend selbstständig geführten Leben anfallen, die Dieter Wühr mächtig stolz machen. „Ich mach’ vieles selber“, sagt der 63-Jährige. Viel zu tun für einen, der die Woche über in der Gärtnerei und im Liebenauer Landleben arbeitet. Dennoch bleibt genügend Zeit, um nachmittags und an den Wochenenden ausgiebig die Zeitung oder ein Buch zu lesen, Kassetten zu hören, ins Konzert, am Sonntag in die Abendmesse und am Samstag auf den Markt zu gehen. Oder auch mal zusammen mit anderen zum Einkehren oder zu gemeinsamen Ausflügen: „Ich mach alles mit“, sagt Dieter Wühr vergnügt, „in fünf Minuten bin ich ja in der Stadt.“
Selbst gestalten statt behütet werden
Haben Sie auch eine Stiftung Liebenau Geschichte?
Einsatz für benachteiligte Kinder in Bulgarien. Gabriele Kreutter ist seit 2006 Patin von sozial benachteiligten bulgarischen Kindern. Die 60-Jährige wünscht sich, dass noch mehr Menschen ihrem Beispiel folgen. „Die Startbedingungen der Kinder mögen vielleicht schlecht sein“, so Gabriele Kreutter, „aber das heißt noch lange nicht, dass sie sich nicht entwickeln und eines Tages ihr Leben selbst meistern können.“ Sie selbst lebt in Tettnang. Aufgrund ihrer Behinderung arbeitet sie in den Werkstätten der Diakonie Pfingstweid und wird im Alltag bei Bedarf von den Ambulanten Diensten der Stiftung Liebenau begleitet. Aktuell unterstützt sie vier Kinder im Kinderzentrum in Kitschevo und beim Projekt Mobile Familienarbeit des Bulgarisch-Deutschen Sozialwerks (BDS). „Wenn man nicht auf Rosen gebettet ist, ist das Leben kein Zuckerschlecken, sondern eher eine harte Nuss. Manchmal muss man sich hart durchbeißen und die Zähne zeigen. Man darf nicht alles mit sich machen lassen“, so die Bildungspatin. Gabriele Kreutter ist inzwischen mit Hilfe digitaler Technik mit ihren Patenkindern in Bulgarien in Kontakt. Um von ihrer Motivation für die Unterstützung der Bildung bulgarischer Kinder zu berichten hat sie einen Brief geschrieben. Darin bittet sie Menschen, ebenfalls eine Patenschaft zu übernehmen. Dies ist schon mit ein paar Euro im Monat möglich.
Einsatz für benachteiligte Kinder in Bulgarien
„Ich bin echt froh, dass ich jetzt lebe“. Nach Grafeneck zur Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie während der Nazi-Diktatur fuhren zwölf Jugendliche mit Lernbehinderung oder leichten geistigen Behinderungen aus Hegenberg. Der Besuch hat sie nachhaltig ergriffen. Eine Woche nach der Fahrt nach Grafeneck denkt Sebastian K.* immer noch häufig an den Tag und es fällt ihm nicht leicht, seine Eindrücke in Worte zu fassen. „Es ist einfach traurig, dass hier so viele Menschen gestorben sind“, sagt der 14-Jährige. Bereits zum zweiten Mal fuhren Jugendliche, die in Wohngruppen der St. Gallus-Hilfe in Hegenberg und Ravensburg leben, in den kleinen Ort auf der Schwäbischen Alb. Stark – schwach, lebenswert – nicht lebenswert, nützlich – unnütz. Das waren die Kategorien, in die die Menschen zur Zeit der Nazi-Herrschaft eingeteilt wurden. Die jungen Besucher erfuhren während einer Führung, dass den Angehörigen Todesursachen wie Lungen- oder Rippfellentzündung mitgeteilt wurden. „Ihnen wurde bewusst, wie hinterhältig und perfide das ganze System war“, berichtet Heilpädagoge Stephan Becker, der mit zwei Kollegen die Jugendlichen begleitete. Nachdenklich habe die Jugendlichen auch gemacht, dass längst nicht alle Opfer schwere geistige oder körperliche Behinderungen hatten. Auch eine psychische Erkrankung oder Alkoholismus konnte den Tod bedeuten. „Wenn ich damals gelebt hätte, wäre ich bestimmt unter den Opfern gewesen“, meint der 19-jährige Jonathan F.*, der schon zum zweiten Mal in Grafeneck war. Sein Handicap ist Asperger Autismus. „Ich bin echt froh, dass ich jetzt lebe.“
„Ich bin echt froh, dass ich jetzt lebe.“
Einmal Liebenau – Mindelheim und zurück. Diese Karte vom Ballonwettbewerb beim Liebenauer Sommerfest im Juli fand erst Anfang Oktober ihren Weg zurück nach Liebenau: Gefunden wurde sie von einem Landwirt in der Nähe von Mindelheim im Unterallgäu, als er seine Kühe fütterte.
Einmal Liebenau – Mindelheim und zurück
Yonka kann endlich wieder lächeln
Sport macht stark, Sport verbindet. Welche Motivation hinter ihrem sportlichen Engagement steckt, schildern Fußballer und Skifahrer mit Behinderungen. Sven Bashitta, 27, Verteidiger, Mittelfeld, Torwart beim FC Rosenharz: „Mir gefällt am Fußball, dass eigene Stärken zum Vorschein kommen. Ich habe als Verteidiger angefangen, spiele im Mittelfeld oder stehe für die Mannschaft im Tor. Dass ich regelmäßig zum Training komme, ist für mich selbstverständlich. Ich bin meiner Mannschaft gegenüber verpflichtet.“ Norbert Nägele, 50, Torwart und früherer Kapitän FC Rosenharz: „Für mich zählt die Kameradschaft und der Kampfgeist. Im Spiel nicht durchhängen und sich füreinander einsetzen. Man lernt immer für das nächste Spiel. In Rosenharz wird jetzt ein neuer Bolzplatz gebaut. Es ist gut, wenn ein Verein seinen eigenen Platz hat.“ Alexandra Müller, 17, Platz 2 bei Ski alpin, Special Olympics Baden-Württemberg: „Ich liebe Schnee. Philipp Hofmeister ist mein Unified Partner. Gemeinsam haben wir die erste Silbermedaille für die Don-Bosco-Schule gesichert. Das war schön. Sport ist mir wichtig. Im Sommer bin ich gerne mit dem Fahrrad oder auf Inlineskatern unterwegs.“ Raffael Sandmann, 16, Skicrosser, Special Olympics Baden-Württemberg: „Ich fahre gerne schnell. Beim Riesenslalom wurde ich Zweiter. Das war gut. Aber das Cross Rennen hat noch mehr Spaß gemacht. Es gab keine Medaille. Ich bin gestürzt. Aber das ist nicht schlimm, ich stehe wieder auf und fahre weiter.“ Magazin wir 1 2012
Sport macht stark, Sport verbindet
Haben Sie auch eine Stiftung Liebenau Geschichte?
Ich bin einfach ein Einsiedler. Melanie Rohde erzählte dem Publikum beim „Liebenauer Forum“ zum Thema Hilfen für Menschen mit Behinderungen hautnah aus ihrem Leben. „Ich fühle mich sauwohl“, fasst Rohde ihre Stimmung zusammen. Vor allem die eigene Wohnung, in der sie seit einigen Wochen wohnt, trägt wesentlich dazu bei. Der Weg dahin war allerdings lang. Aufgewachsen ist sie zunächst in einem Kinderheim in Rötenbach. Auch bei ihrer Mutter in Ravensburg hat sie gelebt. „Aber ich habe mich mit meinem Stiefvater nicht verstanden“, erklärt die 36-Jährige den Umzug nach Liebenau. Hier ist sie 1994 in das Haus St. Florian gezogen, in ein Zweier-Zimmer. Nach einem Dreivierteljahr wechselte sie in ein Einzelzimmer im Haus in der Lindauer Straße. Fünf Jahre lang war dort ihr Zuhause. Dann entschied sie sich für ein noch eigenständigeres Leben. „Ich bin einfach ein Einsiedler“, charakterisiert sie sich und erklärt so den Wunsch nach der eigenen Wohnung. Zwei Jahre lang hat sie sich mit dem so genannten Trainingswohnen auf das Leben allein vorbereitet. Jetzt stimmt ihr Leben in der neuen Wohnung. „Ich muss nicht mehr teilen. Das ABW ist o.k.“, sagt Rohde. Auch die Arbeit ist o.k. Melanie Rohde arbeitet in den Gallus-Werkstätten in Liebenau und montiert Bergsteiger-Helme. Trotz der Neigung zum Alleinsein setzt sie sich für ihre Kolleginnen und Kollegen ein: Sie ist Protokollführerin im Werkstattat. Auch in der Freizeit sucht sie eher die Gemeinschaft, geht gern kegeln, zum Stammtisch und ins Schwimmbad.
Ich bin einfach ein Einsiedler
Zwei Wochen Segeltörn in Kroatien: Marvin Petrovic durfte in den Pfingstferien zusammen mit seinem Bruder dabei sein. Beide leben in Häusern der St. Gallus-Hilfe in Hegenberg. Marvin berichtet von seinen Erlebnissen. Mein Bruder und ich waren beim Skipper Christian auf dem Segelschiff Galeb. Es war ein wunderbares Segelschiff. Ganz vorn in der Koje haben Robin und ich geschlafen. Wir haben auf dem Schiff gegessen und sind natürlich auch gesegelt. Das war das Allerschönste! Ich durfte mal die Leine lösen und war auch mal am Steuer. Gekocht haben die Erwachsenen, Spüldienst hatten die Kinder. Manchmal sind wir mit dem Schlauchboot mit Motor auf dem Wasser rumgefahren. Manchmal haben wir geangelt und ab und zu auch einen Fisch gefangen. Wir haben uns auch an der Boje im Wasser festgehalten und wurden dann vom Segelschiff gezogen. Das Wetter war fast immer schön. In einer Bucht haben wir ausgiebig gebadet. Das Wasser war salzig und schön warm. Alle mussten beim Segeln Schwimmwesten und Sonnenbrillen tragen. Ab und zu haben wir einen Stadtbummel gemacht und Souvenirs für zu Hause gekauft. Irgendwann haben wir Delphine gesehen. Ich hatte sie bemerkt. Wir haben die Delphine beobachtet. Ein Delphin kam ganz nah ran. Ich glaube, er war mindestens 1,50 Meter lang. Wir haben immer in einer Bucht oder in einem Hafen geschlafen. Da war es immer sehr ruhig. Einmal haben wir in einer Bucht Feuer gemacht und gegrillt. Zeit hatten wir aber auch für Spiele, Malen oder Lesen. Die zwei Segelwochen waren voller Erlebnisse und ich werde sie nie vergessen.
Marvin fährt ans Meer – mit „Leuchtenden Augen“
Niemand ist ganz und gar vollkommen. Der Dokumentarfilm „Die Passion des Walter Dorst“ ist ein Porträt eines ganz besonderen Menschen. Tag für Tag ist Walter Dorst zwischen Liebenau, Meckenbeuren und Tettnang unterwegs und sammelt das ein, was andere achtlos in die Landschaft werfen. Das Müllsammeln ist sein Auftrag, seine Passion. Der Film von Regisseurin Martina Hiller von Gaertringen zeigt heimatliche Landschaftsaufnahmen, ruhige Bilder voller Details. Und immer wieder zieht Dorst mit seiner Schubkarre – er bezeichnet sie fast liebevoll als seine „Gattin“ – über Stock und Stein. „Sie hat mich noch nie im Stich gelassen“, begründet der 55-Jährige die Wortwahl. Menschen, die er auf seinen Streifzügen kennen lernt, hilft er beim Entrümpeln und beim Holz hacken. Er kann kräftig zupacken. Wenn jemand die Umwelt nicht achtet, wird er ungemütlich. Wegbegleiter aus Liebenau kommen zu Wort. Wolfgang Ilg, Pastoraler Dienst, nennt ihn einen Charakter, der nicht zu übersehen sei. Dr. Helmut Schädler, ehemaliger Chefarzt, sieht Walter Dorst im Grenzbereich zwischen geistiger Behinderung und Lernbehinderung. Dorst selbst ist davon überzeugt: „Es gibt niemanden, der ganz und gar vollkommen ist.“ Der Zuschauer begleitet ihn ein Stück weit und sieht in sein wettergegerbtes Gesicht mit den ruhigen Augen. Was bleibt ist etwas Wehmut, dass „Müll-Walter“ kein anderer Lebensweg vorgezeichnet war, aber auch Respekt dafür, dass er sich seinen Lebenssinn im wahrsten Sinne des Wortes erläuft.
Niemand ist ganz und gar vollkommen
Aus dem Interniertenlager in den Tod. Ein Mädchen aus Oberursel, geboren im Jahr 1900, verliert mit 15 Jahren den Vater. Ihre Mutter ist in einer Nervenheilanstalt untergebracht. So ist das Mädchen früh auf sich allein gestellt und arbeitet als Hausangestellte. 1930 lernt die junge Frau einen britischen Soldaten kennen und folgt ihm nach Großbritannien. Dort heiratet das Paar, die Frau ist nun britische Staatsbürgerin. 1939 kehrt sie nach Deutschland zurück und wird 1941 wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ von der Gestapo verhaftet. Aufgrund ihres britischen Passes wird sie zur Zivilinternierten erklärt; sie kommt 1942 in das Internierungslager Liebenau. Dort werden Zivilinternierte ausländischer Staatsbürgerschaft festgehalten. Sie sollen im Rahmen der NS-Austauschpolitik gegen von den Alliierten festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Nachdem die inzwischen 42-Jährige Verhaltensauffälligkeiten zeigt, diagnostiziert der Lagerarzt eine „paranoide Schizophrenie“ und ordnet die Verlegung in eine psychiatrische Anstalt an. Sie wird, nach Aufenthalt in zwei Anstalten, im April 1943 in die Tötungsanstalt Hadamar deportiert. Ihr Ehemann versucht, sie über das Internationale Komitee des Roten Kreuzes zurück nach Großbritannien zu holen. Vergeblich – seine Frau stirbt am 17. Mai 1944 in Hadamar. Sie ist eines der vielen Opfer der „Euthanasie“, die nach der offiziellen Einstellung der „Aktion T-4“ ermordet werden.
Aus dem Interniertenlager in den Tod
Als es DJ Bobo fast an den Kragen ging. Mitte der 1990er Jahre machte ich mein Anerkennungsjahr als Heilerziehungspfleger in einer Wohngruppe für jüngere Leute mit Behinderungen in Hegenberg. Die musikalischen Geschmäcker der Jugendlichen waren breit gefächert. DJ Bobo einigte aber alle. Der hatte sich seinerzeit für einen Tour-Stopp in Ravensburg angekündigt. Ein Popstar quasi vor der Haustüre? Der Konzertbesuch war schnell beschlossene Sache. Doch wer sollte den DJ-Bobo-Fanclub aus Hegenberg begleiten? Musikalisch zwar überhaupt nicht mein Fall, aber hey: Warum denn nicht? Die Oberschwabenhalle zwar, keine riesige Schleyer- oder Olympiahalle, aber immerhin ein „richtiges“ Konzert mit allem Drum und Dran: Die Jungs und Mädels aus Hegenberg machten jedenfalls große Augen. Noch größer wurden sie, als DJ Bobo dann endlich auf der Bühne stand. Zur Musik ist alles gesagt, aber die Show, die war klasse. Einem von uns war es dann aber doch ein bisschen zu viel an Bombast und Feuerwerk – und seine Wut entlud sich am Künstler persönlich. Aus einer der vorderen Reihen der jubelnden Masse beschimpfte er den Musiker lauthals und wild gestikulierend mit den wüstesten Kraftausdrücken aus seiner ausländischen Muttersprache. Mir waren diese Phrasen – ohne freilich ihre genaue Bedeutung zu verstehen – geläufig, warf er sie mir doch auch täglich an den Kopf. Aber eben stets mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht und nicht mit zornverzerrter Miene wie jetzt. Bevor der junge Mann aber auf die Bühne springen und dem Star an den Kragen gehen konnte, nahm man den Heißsporn vorsichtshalber ein wenig zur Seite, besänftigte ihn – und schnell war alles wieder okay. Jahre später habe ich übrigens danach gegoogelt, was „mein“ Bewohner da gesagt hat zu mir und zum berühmten DJ Bobo. Nun, als Sohn eines Esels hat er uns verspottet. Aber ich bin mir absolut sicher: Bei mir hat er das niemals als Beleidigung gemeint.
Als es DJ Bobo fast an den Kragen ging
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Herzenssache: Gesucht und gefunden. Charlotte Grieb und Karl-Heinz Mutter teilten mit Freunden und Angehörigen ihre Freude über ihre Beziehung mit einem Freundschaftstag. Ohne die Partnervermittlung „Herzenssache“ hätten sie sich wohl nie kennengelernt. Das Paar feierte die Partnerschaft, die im Sommer 2008 begann und den beiden viel bedeutet, im Gasthaus. Es war ein Fest mit allem, was dazu gehört: Kuchenbuffet und Abendessen, Festreden und musikalische Programmeinlagen. Ohne „Herzenssache“ wären sich die zwei wohl kaum begegnet, denn ihre Wohnorte liegen weit auseinander. Sie lebt im Wohnheim der Oberschwäbischen Werkstätten für Behinderte (OWB) in Ravensburg, Er lebt im Rahmen des Betreuten Wohnens in Familien in der Nähe von Isny. Als Charlotte Grieb Karl-Heinz Mutter zum ersten Mal traf, war sie schon fast 70 Jahre alt. Sie hatte den Mut, sich erstmals auf eine feste Beziehung einzulassen. Auch er lebte nach dem Tod seiner Partnerin lange allein. Der Wunsch nach einem Menschen an der Seite brachte beide zur „Herzenssache“. Und Wünsche für die Zukunft? Charlotte Grieb bleibt bescheiden: „Eine gemeinsame Schifffahrt auf dem Bodensee, das würde mir gefallen.“ Er hat weitreichendere Pläne. Er hat seiner Lotte einen Hei-ratsantrag gemacht. Auf ihr „Ja“ muss er allerdings noch warten. „Man sollte doch erst noch ein biss-chen länger beieinander sein“, entgegnete sie ihm.
Herzenssache: Gesucht und gefunden
Kreative Stiefel, Kindersekt und „Käsfiaß“. Mit Nikolausstiefeln fing alles an: Für einen Seniorennachmittag sollten rund 100 Stiefel in klassischem Rot mit weißer Bordüre gestaltet werden. Acht Werkstufenschüler der Don-Bosco-Schule in Hegenberg im Alter zwischen 16 und 20 Jahren übernahmen den Auftrag. Sie selbst wollten auch noch Unikate aus Pappmachee für die Nikolausgaben. So wurden pünktlich zu Nikolaus 120 Stiefel fertig. Freilich: Die Serienproduktion gefiel nicht jedem der Schüler, die an dem Projekt beteiligt waren, erzählt Lehrerin Helga Ilg. Dem wurde abgeholfen mit dem Stiefelprojekt. Fantasie – nicht Menge – war das Schlüsselwort. Zwischen Januar und Juni entstanden rund 15 hippe und ausgeflippte, interessante und ideenreiche Einzelstücke: vom Krokodilstiefel „Schnappi“ über den Strandstiefel „Spanien“ und den Dornröschenstiefel bis zum Waldstiefel. Beim monatlichen Morgenkreis für die Geburtstagskinder war Stiefelenthüllung und Vernissage. Die anderen Schüler staunten nicht schlecht über die Exponate wie den Schöne-Mädchen-Stiefel, den Erste-Hilfe-Stiefel und den Igel-Stiefel. Zu Kindersekt und Käsfiaß – ein Gebäck – gab es Schlager, Postkarten und T-Shirts, selbstverständlich alles mit Bezug zu Füßen, Stiefeln und Schuhen. Doch wie konnte man die Stiefel auch außerhalb der Schule zur Geltung bringe? Was eignete sich besser als ein Schuhgeschäft auf dem Ravensburger Marienplatz? Die erste Anfrage beim Schuhhaus Keckeisen war auch gleich ein Erfolg. Der Inhaber war von den vier Vorführstücken sofort überzeugt und fragte nach mehr. Als Schaufensterdekoration waren die Kunstobjekte für mehrere Wochen zu sehen.
Kreative Stiefel, Kindersekt und „Käsfiaß“
Drei Mal täglich… Vier Ziegen, acht Hasen und drei Meerscheinchen leben im Kleintiergehege auf dem Gelände der Stiftung Liebenau. Agnes Reichart fühlt sich für die Tiere verantwortlich: Sie schaut täglich nach ihren Schützlingen. Das Kleintiergehege befindet sich direkt gegenüber von Haus St. Teresa, in dem Agnes Reichart seit 1995 lebt. Von Anfang an hat sie sich mit um die „Tierle“ gekümmert, die täglich ihr Futter und ihr Wasser brauchen. Mit flinkem Schritt geht sie zum Gehege, zieht den Schlüssel aus ihrer Schürzentasche und öffnet das Tor. Moritz, der Ziegenbock, kommt auf sie zu und sie krault sein schwarzes Fell. Ihr Liebling ist ein rotbrauner Hase, der ruhig auf ihrem Arm sitzen bleibt. „Das ist noch ein junger. Es ist meiner“, sagt sie und streichelt ihm liebevoll über die Schlappohren. Auf die Frage, ob der kleine Hoppel schon einen Namen hat, schüttelt sie energisch den Kopf. Das scheint nicht wichtig zu sein. Aufgewachsen ist Agnes Reichart auf einem Bauernhof in Eglofs in der Nähe von Wangen. „Da hatten wir auch Hasen, die ich versorgt habe“, erzählt sie. 1990 kam die heute 53-jährige nach Liebenau und arbeitet seither in den Gallus-Werkstätten. Die Mittagspause nutzt sie regelmäßig, um im Kleintiergehege nach dem Rechten zu sehen. Carina Hilebrand, Mitarbeiterin in der Wohngruppe Teresa 01, weiß, dass Agnes Reichart stolz darauf ist, Verantwortung für die Tiere zu übernehmen. „Sie ist sehr selbstständig und diese Arbeit von früher gewöhnt“, so Hilebrand. Für die ehrenamtlich Arbeit im Kleintiergehege bekommt Agnes Reichart zwar keinen Lohn, aber ihr Blick zum namenlosen Hasen auf ihrem Arm zeigt, wie viel ihre diese Arbeit gibt.
Drei Mal täglich …
Mitbestimmen, wohin die Reise geht. Ein buntes Programm aus den Bereichen Bildung und Freizeit bieten die offenen Hilfen der St. Gallus-Hilfe: Seit Frühjahr 2002 entscheiden Menschen mit Behinderungen im Programmrat mit, was angeboten wird. Grillabend, Ausflüge, Kegeln, Kino, Basteln, der Umgang mit Haustieren und noch vieles mehr – es ist eine bunte Auswahl an Programmpunkten, die Cornelia Rothmund an einem Donnerstagabend an eine große Tafel schreibt. Rothmund koordiniert die Arbeit des Programmrates – sechs bis sieben Menschen mit Behinderungen, die in Ravensburg und der näheren Umgebung wohnen, und die das Freizeitprogramm der offenen Hilfen mitgestalten. „Durch die Mitarbeit im Programmrat wollen wir die Menschen ermutigen, sich einzubringen“, sagt Cornelia Rothmund über die Motivation, das Gremium ins Leben zu rufen. Der erste Verbesserungswunsch ließ dann auch nicht lange auf sich warten. „Ich weiß doch noch nicht ein Jahr vorher, was ich machen will.“ Also war die erste Neuerung, dass pro Jahr zwei Programmhefte herausgegeben werden. Brigitte Huber regte an, doch im Heft einen Rückmeldebogen abzudrucken, mit dem die Leser dem Programmrat Anregungen und Wünsche zurückmelden können. „Mich hat‘s interessiert, weil wir hier mitentscheiden dürfen“, sagt sie über ihre Motivation, im Programmrat mitzuarbeiten. Und? „Ich bin zufrieden damit.“ Ein Highlight war für den Programmrat ein Model-Termin: Um ihre Veranstaltungen besser illustrieren zu können, ließen sie sich von einem Fotografen ablichten: Als Schwimmer, als Disco-Gänger, als Ausflügler.
Mitbestimmen, wohin die Reise geht
Passion Malen. Von der Traumlandschaft bis zu Kopien berühmter Gemälde von Monet oder Dalí: Johann Guters große Leidenschaft ist die Malerei. Die Wände des schmalen Flurs hängen bis unter die Decke voller Bilder, auch im Atelierraum selbst ist jeder Quadratzentimeter für die Kunst genutzt. Johann Guter malt alles, wonach ihm der Sinn steht: Winterliche Berglandschaften hängen neben dem Portrait des Papstes, die Kopie von Rembrandts berühmter Nachtwache ist ebenso zu finden wie Dalís brennende Giraffe und Monets Seerosen. Religiöse Szenen, Motive aus Illustrierten, alte Fotografien – alles verwandelt Johann Guter in Ölgemälde. Ganz erstaunlich sind auch seine dreidimensionalen Landschaften aus bemaltem Styropor, in denen er mit sehr viel Liebe zum Detail religiöse Motive und idyllische Traumwelten figürlich abbildet. Bereits als Kind hat der 1943 geborene Johann Guter aus Dettingen an der Iller die Malerei als Hobby entdeckt. Als er im Jahr 1960 in die Stiftung Liebenau kam, hatte er die Möglichkeit als „Anlernling des Malermeisters“ zu arbeiten. In seiner Freizeit malte Guter weiter, am liebsten mit Ölfarben. Ganz besonders freut er sich, wenn er eines seiner Gemälde verkauft. Mit dem Geld kauft er sich zum Beispiel neue Farben und Leinwände. Steht mal keine Leinwand zur Verfügung hält ihn das nicht vom Malen ab, dann dient eben ein alter Karton als Hintergrund. Auch die Rahmen seiner Bilder fertigt Guter selbst, zusammen mit einem Freund, der ihn sehr häufig ins Atelier begleitet.
Passion Malen
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„Da bin ich und da bleibe ich“. Erinnerungen an Kindheit sind bei Josef Kiebler mit wenig Gutem verbunden. Es selbst ist ein zufriedener Mensch, der sich gut mit Neuem arrangieren kann. Josef Kieblers Lehrer hat ihm ins Zeugnis geschrieben, er sei hirnvernagelt. Dabei habe er ja nichts dafürkönnen, dass er sich in der Schule so schwertat. Schuld gewesen sei eine Rachitis, die englische Krankheit. Deshalb sei er hinten dran gewesen, erzählt Josef Kiebler, der 1929 in Bad Waldsee geboren ist. „Ich habe in der Schule viele Schläge bekommen“, erinnert sich der alte Mann mit dem schütteren Haar und den freundlichen Augen an seine harte Schulzeit. Er musste sich viel anhören, damals. Wenn Josef Kiebler an früher denkt, fällt ihm wenig Schönes ein und ihm kommen schnell Gedanken und Erinnerungen an Gewalt und Schläge. „Den Besseren hat man geholfen und ich wurde immer nur zur Seite geschoben.“ So war es zu Hause, in der Bad Waldseer Volksschule, in der „Hilfsschule“ in Ellwangen, im Lehrlingsheim im „Bayrischen“ und bei der Arbeit in der Landwirtschaft und im Lagerhaus. Seit 1970 lebt Josef Kiebler in der Stiftung Liebenau. „Das sind jetzt 43 Jahre“, sagt Kiebler, der am 31. Dezember seinen 75. Geburtstag feiert. Zuerst habe er in der ihm vertrauten Landwirtschaft gearbeitet und nach einer Hüftoperation in der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. „Ich habe alles was ich brauche, was soll ich da jammern?“ Umziehen will der Ruheständler auf gar keinen Fall mehr. „Ich bleibe wo ich bin, bis ich die Augen zumache“, so Kiebler. Aus gesundheitlichen Gründen musste er später aber doch umziehen. „Mit meinem neuen Zimmer bin ich zufrieden“, sag er über sein Reich. Kieblers Bezugsperson in der Wohngruppe, erzählt, dass Kiebler es ein Stück weit genieße, etwas Besonderes zu sein. So sei er einer der wenigen, die lesen können und die Zeitung sei für ihn sehr wichtig. Er bekommt sie von einer Betreuerin regelmäßig mitgebracht und er hat das katholische Sonntagsblatt abonniert. In seiner alten Wohngruppe hat er den Haushalt organisiert. „Er war der Chef der WG“, so der Betreuer. „Ich sehe in ihm einen netten älteren Herrn, der sich gut mit neuen Situationen arrangieren kann.“
„Da bin ich und da bleibe ich“
Überraschender Empfang am ersten Arbeitstag. Margret Kehle war langjährige Mitarbeiterin in der Altenhilfe bei der Stiftung Liebenau. Der erste Arbeitstag war ein „überraschend“ guter, an den sie sich sehr gerne erinnert. "Der erste Tag im neuen Job ist schon ein wenig aufregend, denn man weiß ja nie so genau, was einen da erwartet. Als ich dann um kurz vor acht Uhr auf dem Parkplatz in Liebenau ankam, gab es noch genügend Parkplätze, denn es war ein Brückentag und viele Mitarbeiter hatten sich wohl frei genommen. Ich stieg aus und während ich mich noch etwas orientierte, kam schon ein Mann mit etwas unsicheren und doch flinken Schritten auf mich zu. Er lachte mich an und ehe ich mich versah, wurde ich sehr herzlich umarmt und gedrückt. Er hakte sich ein und begleitete mich zum Empfang, um dann wieder zum Parkplatz zurück zu kehren. 'Das ist ein ja ein fröhlicher Beginn, so kann es weitergehen, wahrscheinlich ein gutes Omen', dachte ich bei mir und musste doch etwas schmunzeln.Der freundliche Herr am Empfang klärte mich dann auf, wer mich denn so nett begrüßt hatte: Es war Johannes. Johannes, ein Mann mit Behinderung, der sich sehr gerne am Morgen vor seinem Arbeitsbeginn in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen auf dem Parkplatz aufhielt, um verschiedene Ankommende zu begrüßen. Sein Markenzeichen war ein überlanger, möglichst farbenfroher, gestrickter Schal. Er hatte bei seiner Umarmung auf meinem Mantel einige feuchte Spuren hinterlassen. Das war nicht weiter schlimm war, lehrte mich aber, bei der nächsten Umarmung ein klein wenig Abstand zu halten. Es war ein schöner Beginn und ich denke immer gerne an die Begegnungen mit Johannes zurück."
Überraschender Empfang am ersten Arbeitstag
Von einem, der die Worte fühlt. Jörg Pohle beherrscht die deutsche Sprache sehr gut. Aber er kann sie kaum sprechen. „Ich habe alles im Kopf, aber die Wörter stecken im Hals fest“, so der 36-jährige. Sein „atypischer Autismus“ macht es ihm schwer, Blickkontakt zum Gast aufzunehmen und zu halten. Aber: Er schafft es. Um sich mitzuteilen, nutzt Jörg Pohle Medien wie den Computer oder ein Schreibbrett aus Holz, das ähnlich wie eine Tastatur aufgebaut ist. Evi Müllerschön unterstützt ihn dabei: Nutzt er das Brett, kreist seine rechte Hand, von ihr geführt, wie unabhängig vom restlichen Körper. Sein Zeigefinger tippt zielsicher Buchstaben, die Worte und Sätze ergeben. „Wenn ich etwas sagen will, dann hilft mir Evi zu reden. Sie hält mich in unterschiedlicher Weise: mal fest, mal gar nicht und oft zu wenig, weil sie denkt, ich bin sicher.“ Evi Müllerschön erklärt, dass sie Jörg Pohle Sicherheit gibt, weil er die Grenzen und den Widerstand beim Halten spürt, wenn er schreibt. Diese sogenannte Facility Communication (FC) ist Teil der Unterstützen Kommunikation. Viele Jahre haben Evi Müllerschön und Jörg Pohle miteinander gearbeitet, bis es ihm möglich war, einen freien Text zu schreiben. Er schreibt: „Evi hat nie aufgehört, bestimmt vier Jahre. Genau das ist, was ich gebraucht habe. Von jemandem ernst genommen zu werden. Wir gehen jeden Tag schreiben. Versuche die Worte zu finden: gegen den Strom meiner Gedanken, gegen all die Gefühle, gegen all die Erwartungen, gegen all die Ideen, die für mich gemacht wurden. Hören, Denken, Fühlen ist mein Leben.“
Von einem, der die Worte fühlt
Mittagstisch vom TV-Koch. „Wertvoll Kochen“ heißt die Show, mit der Ralf Hörger regelmäßig bei Regio TV zu sehen ist. Hier werden mit Köchen aus der Region regionale Gerichte gekocht. Das war auch bei seinem Besuch im Liebenauer Landleben, zu den ihm sein Sohn und Jungkoch Dominik Hörger begleitete, nicht anders. Die regionalen Köche waren diesmal jedoch Jugendliche mit Behinderungen. Anlass für die kulinarische Besonderheit war eine Spendenaktion zugunsten der neuen Außenanlagen in Hegenberg, die nach dem Bau zweier neuer Sozialtherapeutischer Wohnheime für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsende an die neuen Bedürfnisse angepasst werden sollten. „Die Jugendlichen wünschen sich unter anderem einen Tischkicker, dafür lohnt es sich doch, Spenden zu sammeln“, meinte Ralf Hörger. Auf dem Teller gab es „Hörgers Frischwurst mit raffinierter Soß‘ und Salat“, Vegetarier konnten einen frisch zubereiteten Gemüsebratling wählen. Nicht nur für die gut 100 Gäste war der Kochevent eine angenehme Überraschung, auch die Beschäftigten erlebten einen abwechslungsreichen Tag. Samanta Belan, die hier den Berufsbildungsbereich absolviert, fand: „Von mir aus kann Ralf ruhig jeden Freitag kommen“, sagte sie.
Mittagstisch vom TV-Koch
„Ich bin Johann“. Ein außergewöhnlicher Mitarbeiter hat im Olga und Josef Kögel-Haus in Ulm angeheuert: Johann. Johann ist eine sogenannte „Empathiepuppe“. Sein Jobprofil: Die Aktivierung. Spielerisch soll Johann Menschen mit Demenz helfen, bei denen eine direkte, rein verbale Ansprache nicht mehr gelingt. Die liebevoll gestaltete Handpuppe zieht schon durch Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich und ermöglicht einen offenen „Blickkontakt“. Auf einer zusätzlichen Ebene soll ein Vertrauensverhältnis zwischen Betreuern und Bewohnern entstehen, indem mit veränderter Stimme gesprochen wird. Im Idealfall weckt Johann positive Emotionen wie Zuneigung und Vertrauen. Vielleicht gelingen durch die Puppe zudem Wege zu den Erinnerungen der Bewohner. Johanns Einsatzmöglichkeiten sind zahlreich, z. B. bei der Nahrungsaufnahme, bei Gedächtnis- und Bewegungstrainings, in Einzel- oder Gruppentherapien. Zunächst aber geht es Johann wie allen, die einen neuen Job beginnen: Er lernt seine Kolleginnen und Kollegen kennen, wird eingearbeitet und bekommt eine persönliche (und demenzgerechte) Biografie.
„Ich bin Johann“
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Angekommen im neuen Leben. Im Dezember 2019 sitzt die Inderin Hitha Chirackal George zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Flugzeug. Ihr Ziel: Deutschland. Sie ist die erste von 20 jungen Pflegefachkräften aus Südindien, die mit einem neuen Programm der Stiftung Liebenau nach Deutschland kommen. Ihr Gepäck ist übersichtlich: Kleidung, Dokumente, Handy, verschiedene Gewürzmischungen, ein spezieller Reis. Als Hitha George ankommt, kauft sie erstmal eine Winterjacke. In Deutschland zu arbeiten war ein Traum von Hitha George. Ihr Vorbild: eine Tante, die als Krankenschwester in Katar arbeitet. Auch Ihre Mutter ist froh: Mit ihrem Bachelor of Nursing findet Hitha nach vier Jahren Studium keine Stelle im christlichen Teil Indiens. Also lernt sie Deutsch, so gut, dass sie es während der langen Phase der Formalitäten selbst unterrichten kann. Nach der Anerkennung und dem nötigen Visum geht dann alles ganz schnell. Wie gefällt es dir? Wie ist es in Deutschland? fragen ihre Fachkolleginnen aus der Sprachschule in die Whatsapp-Gruppe. Als großen Unterschied empfindet sie die Arbeitsbedingungen: „In Indien arbeiten wir regulär 8 Stunden pro Tag, machen aber meist 1-2 Überstunden. Und die 15 Minuten Pause können wir fast nie nehmen. Und wir haben eine 6-Tage-Woche.“ Anders auch das Zusammenleben der Menschen: In Indien seien die Familienbande stärker. „Wir leben für die Familie. Eine Mutter lebt für ihr Kind. Wir schauen vielleicht mehr danach, wie es anderen geht.“ Über Handy hält sie auch Kontakt mit ihrer Familie, der Mutter und den zwei jüngeren Geschwistern. Das WLAN ist nicht so verbreitet wie sie es aus Indien kennt, die Verbindungen sind nicht so stabil. Aber es geht.
Angekommen im neuen Leben
Computer-Freak mit Wissensdurst. Normalerweise sitzt Leon Nilges im BBW an irgendeiner Programmieraufgabe oder drückt dort die Berufsschulbank. Doch auch nach Feierabend lässt den angehenden Fachinformatiker sein Hobby, das er gerade zum Beruf macht, nicht los. Software in ihre Einzelteile zerlegen und schauen, was dahinter steckt – das fasziniert ihn. Schon mit 14 Jahren fing er an zu programmieren. Seine Motivation: Mit dem PC „mehr machen als Videos im Internet zu schauen und zu spielen“. Diese Neugier ließ ihn auf ein Problem bei einem Treiber des Marktführers Intel stoßen. „Ich habe ihn dann Stück für Stück auseinandergenommen.“ Ergebnis: Die Software ist nicht richtig geschützt vor Missbrauch und ermöglicht einem potenziellen Angreifer einen weitreichenden Zugriff auf den PC. Der BBW-Azubi meldete den Fehler bei Intel und belegte seine Recherchen mit einem kleinen selbstgeschriebenen Programm, das die Lücke offenbarte. Relativ schnell kam die Bestätigung aus den USA: Ja, wir haben da wirklich ein Problem mit dem Treiber. Und zwar ein großes! Beim folgenden Sicherheitsupdate wurde Leon Nilges von Intel als maßgeblicher Entdecker der Lücke genannt. Und auch finanziell hat sich das Engagement für ihn gelohnt: Intel vergütet derartige Mitarbeit nach einem festen Schlüssel. Was Leon Nilges mit der willkommenen Finanzspritze macht? Einen Teil legt er für seinen Führerschein zurück, den er jetzt machen will. Und dann hat er sich endlich einen neuen Computer geleistet – einen mit Intel-Prozessor. „Mich hat es natürlich gefreut“, sagt BBW-Ausbilder Uwe Weißenrieder über die Leistung seines Azubis, „aber gewundert hat es mich nicht“.
Computer-Freak mit Wissensdurst
Bitte recht freundlich! Dies ist das älteste Bewohner-Foto aus der Stiftung Liebenau. Ein Bleistift-Vermerk auf der Rückseite datiert die Aufnahme auf das Jahr 1904. Ein Junge mit kurzgeschorenem Haar, der auf einem Stuhl vor einer Bretterwand sitzt, gekleidet in einen fleckigen Anzug. Über diesen Jungen wissen wir sonst nichts. Interessant ist das Foto dennoch. Wer hat dieses Bild gemacht? Es war zweifellos ein professionelles „Shooting“, wie wir heute sagen würden. Denn damals gab es noch keine Hobbyfotografen, die in allen erdenklichen Situationen Schnappschüsse hätten machen können. Der junge Liebenauer wurde sorgfältig in Szene gesetzt für den Fotografen. Wundern kann man sich allerdings darüber, warum er keine saubere Kleidung angezogen hat für die Aufnahme. Vielleicht hatten die Bewohnerinnen und Bewohner damals nur einen Anzug? Spannend ist auch die Frage, ob das Bild Teil einer Fotoserie war. Kaum anzunehmen, dass ein Fotograf eigens wegen eines Bewohners nach Liebenau gekommen wäre. Vielleicht ist diese Fotografie entstanden, weil Adolf Aich die Empfehlung eines bayerischen Kollegen befolgt hatte, alle „Zöglinge“ fotografieren zu lassen. Leider birgt das Archiv keine weiteren Bilder aus dieser Zeit. Die Medienwissenschaftlerin Dr. Anna Grebe hat dieses und viele andere Bilder aus dem Liebenauer Fotoarchiv in ihrer Dissertation analysiert. Wer darüber mehr wissen möchte, kann ihr Buch im Buchhandel beziehen: Anna Grebe: Fotografische Normalisierung, erschienen 2016 im transcript-Verlag.
Bitte recht freundlich!
Ehrenamt – Grundpfeiler der Gesellschaft. Millionen Deutsche arbeiten in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Auch die Politik hat das freiwillige Engagement der Bürger wiederentdeckt. Das folgende Gedicht ist alt und wird Wilhelm Busch zugeschrieben. Die Realität spricht jedoch eine andere Sprache. Willst Du froh und glücklich leben laß kein Ehrenamt Dir geben! Willst Du nicht zu früh ins Grab lehne jedes Amt gleich ab! Wieviel Mühen, Sorgen, Plagen wieviel Ärger mußt Du tragen; gibst viel Geld aus, opferst Zeit - und der Lohn? Undankbarkeit! Ohne Amt lebst Du so friedlich und so ruhig und so gemütlich, Du sparst Kraft und Geld und Zeit, wirst geachtet weit und breit. So ein Amt bringt niemals Ehre, denn der Klatschsucht scharfe Schere schneidet boshaft Dir, schnipp-schnapp, Deine Ehre vielfach ab. Willst Du froh und glücklich leben, laß kein Ehrenamt Dir geben! Willst Du nicht zu früh ins Grab lehne jedes Amt gleich ab! Selbst Dein Ruf geht Dir verloren, wirst beschmutzt vor Tür und Toren, und es macht ihn oberfaul jedes ungewaschne Maul! Drum, so rat ich Dir im Treuen: willst Du Weib (Mann) und Kind erfreuen, soll Dein Kopf Dir nicht mehr brummen, laß das Amt doch and'ren Dummen. Sind es doch Egoismus und Geld, die vermeintlich eine in selbstbezogene Individuen zerfallene Gemeinschaft regieren. Ehrenamt ist „out“? Weit gefehlt. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellte Studie brachte im Jahr 2001, dem Internationalen Jahr der Freiwilligen, beeindruckende Zahlen zu Tage. Jeder dritte Erwachsene arbeitet hierzulande in seiner Freizeit ehrenamtlich, das sind rund 22 Millionen Menschen. Vom Rest könnten sich immerhin 25 Prozent eine freiwillige soziale Tätigkeit vorstellen. Jugendliche und junge Erwachsene schneiden sogar noch besser ab: Mit 37 Prozent liegt ihr Anteil an der Freiwilligenarbeit noch über dem Durchschnitt. Das Ehrenamt hat in der öffentlichen Diskussion einen nie gekannten Boom erlebt.
Ehrenamt – Grundpfeiler der Gesellschaft
Hilfe bei Arbeit bringt Abwechslung und etwas Lohn. Die Bewohner halfen bei anfallenden Arbeiten mit, vor allem in der Landwirtschaft. Dies war kein Zwang, jedoch konnte mit verschiedenen Vergünstigungen rechnen, wer sich einbrachte: Es gab zusätzliches Essen, Zigaretten und Tabak, auch freien Ausgang. Jeder Arbeitende bekam ferner sonntags nach der Kirche einen kleinen Lohn ausgezahlt. Manche verbrauchten ihr erarbeitetes Geld rasch, andere hingegen sparten sorgsam. Die geregelte Arbeit stellte nicht nur eine ablenkende Tätigkeit für die Bewohner dar, sondern lohnte sich auch für die Anstalt: Durch die tatkräftige Mithilfe der Bewohner war es möglich, das Kostgeld niedrig zu halten.
Hilfe bei Arbeit bringt Abwechslung und etwas Lohn
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„Alltag“ und „Liebenau-Spezial“ im Internierungslager. Von Oktober 1940 bis zum Kriegsende dient Liebenau als Lager für Zivilinternierte ausländischer Staatsbürgerschaft. Im Rahmen der NS-Austauschpolitik sollen sie gegen von den Alliierten festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Olga Guttormson, eine kanadische Missionarsschwester erinnert sich, wie wichtig die regelmäßig von nah und fern eingehenden Hilfspakete des Roten Kreuzes für die in diesem Lager lebenden Menschen waren. „Nahrungsmittel!! Wir freuten uns so über diese Nahrungsmittel, die uns aus England, Schottland, Kanada und Amerika erreichten. Eingemachtes Fleisch und Gemüse, Konfitüre, Marmelade, Tee, Kaffee, Schokoladenrosinen, Butter und Dosenmilch. Das Rote Kreuz war ein Garant für das Überleben.“ Alle zwei Wochen erhielten alle Lagerinsassen eines dieser Päckchen. Die Absender waren von jeder nur denkbaren Nationalität, darunter Juden, Polen, Engländer, Australier, Holländer, Franzosen und Tschechen. Es gab ausreichend Aufgaben, für die die Gefangenen schichtweise eingeteilt wurden. Ein erheblicher Teil des Alltags spielte sich in den kleinen Küchen in den verschiedenen Stockwerken der Wohngebäude. Sie standen allen Insassen zur freien Verfügung. Dort bereiteten sich die Frauen auf winzigen Elektroöfen gern ein heißes Getränk oder eine Zwischenmahlzeit zu. Kitsi Strachan erinnert sich: „Manchmal bestand ein kleiner leckerer Snack aus einer Handvoll Rosinen oder einem wohlschmeckenden kanadischen Zwieback. Nach dem Mittagessen gab es regelmäßig ein schäumendes Getränk, das wir aus Milchpulver, Kakao, Zucker und Wasser zusammen mixten. Dieser „Liebenau-Spezial“ konnte es mit den besten Milchshakes aus professioneller Herstellung aufnehmen. Jeder Geburts- oder Jahrestag wurde als Anlass genommen, um zu feiern. Dann war es an den erfahrenen Köchinnen unter uns, ihren Erfahrungsreichtum unter Beweis zu stellen und mit den spärlich vorhandenen Zutaten die wundervollsten Kuchen und Plätzchen zu zaubern. Die Künstlerinnen in unserem Kreis bastelten Platzkarten und arrangierten Blumen, die wir auf Nachmittagsspaziergängen pflückten.“ Isabel Guernsey erinnert sich gerne an ihre Küchendienste in der sommerlichen Wärme auf einer Bank sitzend und in der angenehmen Gesellschaft der „Little Sisters of Poor“, die gerne lachten und scherzten. Mit von der Partie waren meist auch Schwester Sidonia und ihr geliebtes Entenküken Donald, das ihr ständig hinterherlief.
„Alltag“ und „Liebenau-Spezial“ im Internierungslager
Inge Wilke hat ihrem Sohn Martin 1973 ein Gedicht gewidmet. Martin Wilke lebt im Fachzentrum Rosenharz. Mein Leib hat dich empfangen, du wuchst in mir heran, die Liebe und die Freude zu dir in mir begann. Die Zeit deiner Erwartung gab mir den Mut, die Kraft, die dich dann eines Tages, auf diese Welt gebracht. Mein Arm trägt dich voll Zärtlichkeit, mein Blick küsst dein Gesicht, mein Herz will nur noch fröhlich sein in diesem Augenblick. So schön und wohlgestaltet, dein Fuß, die Hand, dein Kopf, dein blondes Haar, dein Auge klar, o, du mein Kind wie wunderbar ist jeder Tag mit dir. Du wächst heran, ich frag mich bang, warum schreist du so oft? Du schaust durch mich – und siehst mich nicht, dein Schaukeln und Lecken ängstigt mich: Mein Kind, was ist mir dir? Warum bist du nicht hier? Nein! Es kann nicht sein. Mein schönes, geliebtes Kindelein. Du musst im Leben abseits stehn, du kannst nicht meine Wege gehn, du wirst niemals verstehn? Ich will es nicht, es darf nicht sein, o, Herr, lass mich nicht so allein, du gabst ihn mir, nun hilf auch hier! Ich kann dir nicht verzeihn, zu groß ist meine Pein. Unnütz die vielen Tränen, die Nächte voll Herzeleid, der Vogel singt, die Sonne lacht, was hast du aus meinem Leben gemacht. Ich kann es nicht ertragen, und darf doch nicht verzagen. Die Zeit geht hin – sie macht mich still – Sie lehrt mich anzunehmen – mein Schicksal – gottergeben. Emotionen lähmen mich, schließen meine Wunden nicht, lassen mich nur traurig sein mit meinem kranken Kind allein. In die Ferne geht dein Schritt, Fremde halten mit dir Tritt, wollen deine Freunde sein, wirken in dein Herz hinein. Erschließen neue Werte hier, die unsterblich mir und dir. Mein geliebtes gutes Kind. Du gehst einen besseren Weg, den ich langsam muss verstehn. Alle Eitelkeit der Welt wird dir immer bleiben fremd, kannst nicht schuldig werden hier auf dieser Erden. Bleibst ein Kind der Ewigkeit, gläubig rein – gesegnet sollst du sein!
Martin
Sieben kanadische Frauen unterwegs im „Dritten Reich“. Von Oktober 1940 bis zum Kriegsende dient Liebenau als Lager für Zivilinternierte ausländischer Staatsbürgerschaft. Im Rahmen der NS-Austauschpolitik sollen sie gegen von den Alliierten festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Im Juni 1941 trafen 28 Frauen und Kinder in Liebenau ein. Unter ihnen waren sieben Kanadierinnen. Der ägyptische Dampfer, auf dem sie im April auf dem Weg von New York nach Kapstadt waren, wurde vom deutschen Kreuzer Atlantis versenkt. Wie durch ein Wunder konnten alle Passagiere gerettet werden. Liebenau war die vorläufige Endstation ihrer Odyssee. Isabel Guernsey schilderte: „Ich werde nie unsere Ankunft vergessen. Vor uns lagen die in den Glanz der späten Nachmittagssonne getauchten Klostergebäude. Es war dieses goldene Sonnenlicht, das gewöhnlich auf einen Regenschauer folgt. Das farbenfrohe Blütenmeer der Blumenbeete leuchtete – und die Menschen sprachen unsere Sprache und waren sehr freundlich zu uns. Es gab Pakete vom Roten Kreuz mit Schokolade, kanadischer Butter und Zigaretten.“ Nach Monaten gab es das erste richtige Bad und Schlaf in einem sauberen Bett. Nach all dem Schmutz und all den Mühsalen, schien es den Frauen fast zu viel des Guten. Der „Posttag“ bot ihnen die erste Möglichkeit mit ihren Familien Kontakt aufzunehmen. Rund 300 Frauen waren zu der Zeit in Liebenau interniert. Alle verband ihr britischer Pass und die Hoffnung auf die schnelle Rückkehr des Friedens und ihre baldige Entlassung. Nach und nach bekam das Leben der Kanadierinnen eine gewisse Routine bei Beschäftigungen in Küche und Garten. Die alle zwei Wochen eintreffenden Rot-Kreuz-Pakete besserten ihre eintönige Lagerverpflegung auf. Endlich am 13. September konnten 14 Frauen Liebenau mit dem Ziel US-amerikanische Botschaft in Berlin verlassen, unter ihnen die sieben Kanadierinnen. Nach langwierigen und komplizierten Verhandlungen verließen sie Berlin am 13. Juni 1942: Auf dem Seeweg kehrten sie über New York nach Kanada heim.
Sieben kanadische Frauen unterwegs im „Dritten Reich“
Von Gänsen und Gangstern. Claudia Schnell kann viele Geschichten aus der ambulanten Pflege erzählen. Die Leiterin der Sozialstation St. Anna Weingarten-Ravensburg-Baienfurt erinnert sich auch an Kurioses. Zum Beispiel die Geschichte von den Gänsen, die im Hof auf die Pflegekraft lauerten. Gänse können schnell sein und fies beißen. Die Pflegekraft opferte ihr Vesperbrot, indem sie es aus dem Autofenster warf. Erfolgreich abgelenkt vom Futter, ließ die Gans die „brotlose“ Frau unverletzt passieren. Oder die Geschichte von der jungen Aushilfe, die unter anderem einen Pfarrer und dessen Haushälterin zu unterstützen hatte. Eines Morgens war sie positiv überrascht, dass man ihr freundlich schon die Tür zum Pfarrhaus geöffnet hatte. Als sie das Zimmer der Haushälterin betrat, sah sie, dass diese an den Armen im Bett „fixiert“ war. Das verwunderte sie dann doch. Der zweite Blick fiel auf das Tape, mit dem der Mund zugeklebt war. Räuber hatten das Pfarrhaus überfallen. Voller Sorge suchte die junge Frau den Herrn Pfarrer – der aber hatte in seinem entfernt liegenden Zimmer von dem Ungemach überhaupt nichts mitbekommen. Außer dem Schrecken und dem eingebüßten Geld aus dem Opferstock war glücklicherweise nichts passiert.
Von Gänsen und Gangstern
Geneviève de Gaulle im Internierungslager Liebenau. Von Oktober 1940 bis zum Kriegsende dient Liebenau als Lager für Zivilinternierte ausländischer Staatsbürgerschaft. Im Rahmen der NS-Austauschpolitik sollen sie gegen von den Alliierten festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Die bekannteste Internierte ist wohl Geneviève de Gaulle, die Nichte des französischen Generals de Gaulle. Als Angehörige der französischen Résistance gerät sie 1943 in deutsche Gefangenschaft und kommt in das KZ Ravensbrück. Bevor sie in einem Gefangenenaustausch über die Schweiz nach Frankreich zurückgebracht wird, verbringt sie im Frühling 1945 zwei Monate in Liebenau. In einem Brief an ihren Vater schildert sie einen – nach ihrer Zeit im KZ Ravensbrück – für sie „paradiesischen“ Ort des „Wohlbefindens“. Mit Zugang zur Kommunion, „ausreichender Ernährung“ sowie Unterkunft in den „großen, hellen und sauberen Gebäuden inmitten eines ziemlich großen Gartens“ beschreibt sie die Behandlung in Liebenau als sehr positiv.
Geneviève de Gaulle im Internierungslager Liebenau
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Geschichte einer ungewöhnlichen Urlaubsfahrt. Koffer, Taschen, Kartons sind gepackt, Medikamente und Lebensmittel im Dienstzimmer gestapelt. Eine ungewöhnliche Urlaubsfahrt kann beginnen. Sechs Bewohner und Bewohnerinnen und vier Mitarbeiterinnen des gerontopsychiatrischen Wohnbereichs im Haus St. Johann in Tettnang gehen auf Reisen. Intensive Vorbereitungszeit mit Suche der Unterkunft, Information und Anfrage bei den Angehörigen und ärztlicher Zustimmung, liegen hinter den Organisatorinnen dieser Reise. Am 11. Juni 1997 geht es los. Die Fahrt, nur 45 Minuten lang, ist aufregend genug. Zwei Mitfahrerinnen wollen lieber wieder heim: „I bleib lieber do, sonsch muss i sterbe, jetzt muss ich glei weine“. Nach der Ankunft ist die Verwirrung groß. „Wo sinn mir denn?“, wollen sechs fragende Gesichter wissen. Die Antwort, unzählige Male wiederholt, wird schließlich als großes Schild ins Esszimmer gehängt: Wir sind in Eglofs im Allgäu, wo die Kühe schöner sind als die Männer. Wir machen Urlaub, und es ist sehr schön hier. Das Feriendorf Eglofs gehört zum Familienerholungswerk der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Auf einer kleinen Anhöhe liegen 44 Ferienhäuser, ein Gemeinschaftshaus mit Speisesaal, in dem täglich ein warmes Mittagessen angeboten wird, eine Grillwiese und ein Spielplatz. Die Gruppe ist in zwei nebeneinander liegenden Häuschen mit Küche, Bad und einer Terrasse mit herrlicher Aussicht über das Allgäu untergebracht. Die Urlaubstage sind ausgefüllt mit Spaziergängen und Ausflügen in die Umgebung. Im Ferienhaus wird erzählt, Musik gehört, gesungen, gebastelt und gemalt. Frühstück und Abendessen bereiten alle gemeinsam im Ferienhaus und zum Mittagessen geht's in Speisesaal, zusammen mit 50 anderen Gästen, meist Familien mit Kleinkindern. Der Lärmpegel ist hoch, aber alle fühlen sich wohl, und alle sind zufrieden. Am vierten Tag geht's wieder heim - schön war's, die Zeit verging wie im Flug. Wiederholung? Nicht ausgeschlossen!
Geschichte einer ungewöhnlichen Urlaubsfahrt
Als Soldat im Krieg – aber nicht an der Front. Walter Macijewski, der gelernte Bauingenieur wohnte im Stift zum Heiligen Geist Bad Wurzach. Er ist 1909 geboren, das bedeutet, er hat sogar beide Weltkriege erlebt. Den Ersten Weltkrieg nur als Kind, aber im Zweiten war er von Anfang an als Soldat dabei. Seine Aufgabe war es, für seine Division für Nachschub zu sorgen. „Schon beim Polenfeldzug bin ich LKW gefahren“, berichtet er. An der Front war er nicht, auch nicht, als seine Truppe an andere Standorte verlegt wurde. Jemand hatte ihm den Tipp gegeben, sich nicht mit seinem Beruf bei der Wehrmacht zu melden: „Meldet Euch nicht als Bauingenieur, hat er gesagt“, erinnert sich Macijewski, „sonst kommt ihr zu den Pionieren“. Nach dem Polenfeldzug ging's nach Frankreich, dort war er als Fahrer beim Divisionsstab eingesetzt und fuhr einen Oberst aus dem Generalstab. Walter Macijewski erinnert sich noch gut an die Worte seines Kommandanten bei Kriegsende: „Macht, dass ihr davon kommt“, legte er seinen Soldaten nahe. Macijewski schlug sich nach Niederschlesien durch – und landete damit in Polen. Zunächst auf Dauer, denn nach dem Krieg behielten die Polen Facharbeiter und Fachkräfte alle da, als Bauingenieur war auch Walter Macijewski sehr gefragt. In seinem Pass war von nun an unter Nationalität Deutsch und unter Staatsangehörigkeit Polnisch eingetragen. Er war im Eisenbahnbau eingesetzt und baute Brücken – dass er für die Polen tätig war, nahmen ihm manche seiner Landsleute übel. Walter Macijewski weiß noch, dass ihm bei einem Projekt an der Grenze von der anderen Seite zugerufen wurde: „Wie könnt Ihr für die Polen arbeiten?“
Als Soldat im Krieg – aber nicht an der Front
„Ein wichtiges Signal“. Viel Anerkennung für das neue Stubenhaus der Heilig Geist-Leben im Alter in Neutann. Es rückt Menschen mit demenzieller Erkrankung in den Mittelpunkt. Das Konzept des Stubenhauses ist einzigartig: Architektur und Pflegekonzept sind speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenzerkrankung ausgerichtet. „Erkrankungen, die mit einer Demenz einhergehen können, sind eine sozial- und gesundheitspolitische Herausforderung erster Ordnung“, mit diesen Worten leitete die Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz (CDU) ihre Festrede zur Einweihung des Stubenhauses ein. Sie fordert: „Unser Leitbild muss sein, dass Menschen in allen Lebensabschnitten ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können sollten“. Die erste Landesbeamtin Eva-Maria Meschenmoser verwies in ihrem Grußwort auf den Bedarf an verbesserten Versorgungsangeboten für demente Menschen: „Mit dem Stubenhaus wird ein wichtiges Signal gesetzt.“ Selbstständigkeit und Selbstbestimmung sind zentrale Begriffe in der Konzeption des Stubenhauses. Den besonderen Bedürfnissen dementer Menschen nach Liebe, Trost, einer primären Bindung, Einbeziehung, Beschäftigung und Identität wird hier voll und ganz Rechnung getragen.
„Ein wichtiges Signal“
Das Stift ist ihre Heimat. Seit 1955 lebte und arbeitete Rosa Seeberger im Stift zum Heiligen Geist in Bad Wurzach. Sie erlebte die wechselvolle Geschichte des Hauses und hat hier ihre Heimat gefunden. Rosa Seeberger ist aufgeregt. Sie ist es nicht gewöhnt im Mittelpunkt zu stehen und hält ihr Leben für nicht der Rede wert. „Man hat halt geschafft, was zu tun war“, blickt sie auf ihr Arbeitsleben im Bad Wurzacher Stift zum Heiligen Geist zurück. Zu tun war vieles, vor allem Mitte der 50er Jahre, als Rosa Seeberger im Alter von 25 Jahren im Haus angefangen hat. Damals wurde noch mit Holz und Kohle geheizt, Kartoffeln und Gemüse wurden von Hand geschält und geputzt und moderne Spülmaschinen und Geräte zur Wäschepflege waren noch unbekannt. Rosa Seeberger hat eng mit den Ordensschwestern vom Kloster Reute zusammen gearbeitet, unter deren Leitung das Stift bis 1996 stand. „Ich kenne Rosa Seeberger als sehr bescheidene Frau, die das Leben so akzeptiert, wie es für sie bereit gestellt wurde“ , sagt Hausleiterin Heidi Maier. Sie erinnert sich, dass bei der Übernahme des Stifts durch die Salvator Altenhilfe Rosa Seeberger diejenige war, die zum Beispiel wusste, wo die Altarkerzen für die Kapelle aufbewahrt werden. „Sie hat auch darauf geachtet, dass wir beim Blutritt und an Fronleichnam die richtigen Fahnen hissen.“ Als Rosa Seeberger 1990 ins Rentenalter kam, dachte sie nicht daran, ihre Hände in den Schoß zu legen. „Ich mache immer noch Dinge, die ich machen kann“, erzählt sie. Sie trocknet täglich die Gläschen für Arzneimittel ab und übernimmt kleinere Botengänge zur Apotheke oder zum Arzt, um Rezepte für die Bewohner des Stifts abzuholen. Außerdem kümmert sie sich immer noch darum, dass die Kapelle nach dem Rosenkranz abgeschlossen wird. Ganz spurlos ist das arbeitsreiche Leben an der 76-Jährigen nicht vorbeigegangen. Obwohl sie unter Arthrose leidet, lässt sie es sich aber trotzdem nicht nehmen, ihr Zimmer, das sie liebevoll als „mein Stüble“ bezeichnet, täglich selbst sauber zu machen. Alltagsfreuden wie ein Besuch beim Friseur oder eine Moorpackung genießt sie sehr. Den Umzug in den Neubau der Heilig Geist – Leben im Alter sah sie mit gemischten Gefühlen entgegen. „Da mag ich mir noch keine Gedanken machen, ich bin froh, wenn ich jeden Tag aufstehen kann,“ lässt sie wissen.
Das Stift ist ihre Heimat
"Für uns war das wie im Paradies". Erinnerungen der New Yorker Fotografin Carin Drechsler-Marx als Flüchtlingskind im Spital Neutann. Nach 60 Jahren ist Carin Drechsler-Marx aus New York zu einem Besuch wieder in das Haus zurückgekehrt, wo sie nach dem Krieg als Flüchtlingskind Unterschlupf gefunden hatte. Mit ihrer Familie lebte sie eine Zeitlang im heutigen Spital Neutann der Heilig Geist-Leben im Alter gGmbH. "Damals war hier noch alles ganz anders", sagt eine berührte Carin Drechsler-Marx, als sie durch die frisch restaurierten Gänge des Spitals Neutann geht. Für die Frau mit dem Fotoapparat in der Hand hat der Blick hinter die historischen Gemäuer eine weit zurückreichende Bedeutung. Hier, im zweiten Stock des Schlossgebäudes, hat sie einen Teil ihrer turbulenten Kindheit verbracht. Dorthin, wo inzwischen alte Menschen gepflegt und betreut werden, verschlug es die kleine Carin damals mit ihrer Mutter und den Geschwistern aus dem fernen Sudetenland. Zu fünft lebten die Kriegsflüchtlinge in einem kleinen Schlosszimmer und doch waren sie glücklich darüber, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. "Für uns war das wie im Paradies", erinnert sich Carin Drechsler-Marx. Von 1945 bis 1947 hatte die Familie in Neutann gewohnt und anschließend zehn Jahre im benachbarten Bainders. Von den Bauern der Umgebung und den Schloss-Schwestern seien sie aber immer noch eine Zeitlang versorgt worden, erzählt die Wahl-Amerikanerin. Die Mutter habe für die Besatzungssoldaten gestrickt und im Wurzacher Ried Torf gestochen um die Familie über Wasser zu halten. Sie erinnert sich an die CARE-Pakete aus den USA und die Schülerspeisung in ihrer Schule in Alttann. Später führte ihr Weg nach Ravensburg und dort musste sie und ihre Schwester einen Beruf erlernen. Sie hätte lieber studiert. Sie wurde zur Gehilfin in Wirtschafts- und Steuerberatenden Berufen ausgebildet. "Das habe ich gehasst", ich wollte immer etwas Kreatives tun" sagt sie. Gegen die Widerstände der Familie ging sie mit 19 nach München um dort abends Schauspielunterricht zu nehmen. Bei einem Theaterbesuch lernte die junge Frau ihren späteren Mann kennen, dem sie 1960 nach New York folgte. Dort gingen ihre beruflichen Träume dann doch in Erfüllung. Sie studierte Malerei und Bildhauerei und in den 70er Jahren die Fotografie. Neben verschiedenen Fotoausstellungen, unter anderem zum Thema "Großstadtarchitektur New York" veröffentlichte sie auch mehrere Bücher. Ihr Projekt "Zurück zur Heimat" ist mit der Gegend um Wolfegg verbunden. Wenn es für die weit gereiste Frau eine Heimat geben, dann sei diese hier verortet, sagt sie. "Ich habe nie Deutschland im Gesamten als Heimat empfunden, sondern diese Umgebung". Und New York, wo sie sich nach eigenen Worten doch so wohl fühlt? "Ich lebe dort", sagt sie nur und blickt auf das Neutanner Schlossgelände, "aber das hier hat mich geprägt".
"Für uns war das wie im Paradies"
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Osterfrühstück schmeckt Jung und Alt. Zum gemeinsamen Frühstück trafen sich Kinder, Seniorinnen und Senioren, aber auch Mitarbeiter des Kindergartens und des Alten- und Pflegeheims St. Gebhard in Amtzell vor Beginn der Osterferien. Den zur Osterzeit passenden Tischschmuck fertigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagesbetreuung des Heimes, selbstgebastelte Mitbringsel der Kinder ergänzten ihn. Zur Einstimmung gab es dann akustische Genüsse in Form von kräftigem Gesang, denn die Kinder hatten extra für diesen Anlass ein „Spiellied“ einstudiert, das sie unter großem Beifall vortrugen. Anschließend gab es am reichgedeckten Frühstücksbuffet für jeden etwas Leckeres. „Endlich einmal schon morgens Leben und Kinderlachen im Heim“, war von vielen zu hören. Und: „Gemeinsam schmeckt's Frühstück noch besser.“ Diese gute Erfahrung war eine sehr schöne Bereicherung des Zusammenlebens von Jung und Alt und machte Mut zu weiteren Fortsetzungen.
Osterfrühstück schmeckt Jung und Alt
Rückkehr nach 60 Jahren. Bewohner der Kanalinsel Jersey waren von 1942 bis Kriegsende im Wurzacher Schloss interniert – einige von ihnen sind Ende April 2005 wiedergekommen, um das Schloss Bad Wurzach zu besuchen. „Schau nur“, an den Blick aus dem Dachfenster können sich Ronald Mayne und Godfrey Le Cappelain noch gut erinnern. Hinunter in den Schlossgarten konnten die beiden von ihren Zimmern aus schauen, dort, wo die Hitlerjugend ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Mayne und Le Cappelain sind heute im hohen Alter, damals waren sie gerade aus dem Jugendalter hinausgewachsen. Damals, das war zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Am 15. September 1942 meldete plötzlich die Zeitung auf Jersey, dass alle Endländer mitsamt ihren Familien evakuiert würden. Der Hintergrund: Im Iran hatten Briten und Sowjets irandeutsche Zivilisten interniert – Hitler forderte, dass für jeden von ihnen zehn Engländer deportiert werden sollten. Drei Tage waren die Menschen per Schiff und Zug unterwegs, ehe sie in Wurzach landeten. Was folgte, waren Jahre der Gefangenschaft mit der Ungewissheit, ob nicht morgen Schlimmeres passieren würde. Beim Gang durch das Schloss kamen diese Erinnerungen wieder hoch. Zum Beispiel daran, dass im damals ziemlich herunter gekommenen Schloss das berühmte Barock-Treppenhaus der Treffpunkt der Jugend gewesen war. Oder die Einrichtung der Zimmer, die heute natürlich kaum wieder zu erkennen sind.
Rückkehr nach 60 Jahren
„Es ist wichtig, gebraucht zu werden“. Martin Krug wohnte im Ulrichspark Kisslegg und war auch im Rentenalter voller Tatendrang. 2005 zog Martin Krug in eine kleine Dachwohnung im Ulrichspark Kisslegg. Er hat viele Jahre die Grünanlagen des Ulrichsparks liebevoll in Schuss gehalten. Viel zu tun, aber ein Leben ohne Arbeit, das konnte sich der Allgäuer Bauernsohn noch nie vorstellen. Das ist bis heute so. Bäume schneiden, Blumen pflanzen, Müll entsorgen – das ist die knappe Stellenbeschreibung von Martin Krug. Er hat viele Fähigkeiten, nicht nur die eines Gärtners – mittwochs und sonntags übernimmt er in der Kirche im Ulrichspark auch noch den Messmerdienst. Er bietet seine Dienste umsonst an – eine Selbstverständlichkeit für ihn. „Es ist halt ein Unterschied, ob man schaffen muss oder schaffen will. Meine Rente reicht mir“, sagt er. Jahrzehnte lebte er, der mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof „in der Ewigkeit“ bei Leutkirch aufgewachsen ist, am Bodensee. Eine gescheiterte Ehe, aus der vier Kinder hervorgingen, war der Auslöser für seinen Wechsel vom Allgäu an den See. Zuerst auf der Insel Mainau, wo er als Quereinsteiger eine Tätigkeit als Gärtner begann. An diese Zeit erinnert er sich sehr gerne, wohl auch deshalb, weil Graf Lennart Bernadotte seinen „Allgäuer Krug“ ins Herz geschlossen hatte. Später, bereits im Ruhestand lebte er auf der Insel Reichenau bevor er dann wieder ins Allgäu zurückkam. Einer seiner Söhne stellte den Kontakt zum Ulrichspark her und so bezog er besagte Dachwohnung im Altbau. Auf Nachfrage, ob er überhaupt noch Zeit zur Muße hat, antwortet er: „Ich kann meine Arbeit selbst einteilen und wenn ich müde bin, ruhe ich mich natürlich aus.“ Auch freut er sich sehr über die Besuche seiner Enkelkinder. Aber, ohne seine Arbeit wolle er nicht sein. „Es ist wichtig, gebraucht zu werden“, betont Martin Krug.
„Es ist wichtig, gebraucht zu werden“
Die christliche Überzeugung weitergeben. Ehrenamt hat seit jeher viele Gesichter in den Pflegeheimen der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und der Stiftung Liebenau. Siegfried Genal ist eins von ihnen. Sein Einsatz: regelmäßige Wort-Gottes-Feiern für die Senioren. Siegfried Genal engagiert sich ehrenamtlich im Ulrichspark in Kißlegg der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist. Er hält seit 2003 jeden Sonntag in der Spitalkirche die Wort-Gottes-Feier für die Bewohnerinnen und Bewohner. „Das Feiern in der Gemeinschaft gibt den Menschen sehr viel und früher war die Kapelle immer voll“, sagt Genal. Nicht nur Bewohner kommen zum Gebet, zur wöchentlichen Heiligen Messe am Mittwoch und zur Wort-Gottes-Feier am Sonntag in die Kirche, auch ältere Menschen aus der Nachbarschaft sind regelmäßige Gäste. Zudem wird der Gottesdienst in die Zimmer und auf die Wohnbereiche übertragen, sodass auch Bewohner, die nicht aufstehen können, per Fernsehgerät teilnehmen können. An der Pinnwand beim Eingang zur Kirche hängt seine Ansprache aus. „So haben auch Menschen, die nicht mehr so gut hören, die Möglichkeit, die Auslegung des Evangeliums nachzulesen.“ Seit 1992 ist er in der Pfarrgemeinde Lektor und Eucharistiehelfer, hält Maiandachten und leitet die Bittprozession vor Christi Himmelfahrt. Mit der Kirche hat er sich schon immer sehr verbunden gefühlt, „das begann mit meiner Zeit als Ministrant“, erzählt er. Es ist ihm wichtig, dass der pastorale Dienst im Ulrichspark fester Bestandteil im Alltag seiner Bewohner ist. Der Bedarf sei zweifellos gegeben. Sonntags, nach der Wort-Gottes-Feier, besucht er die Menschen, die ihren Wohnbereich nicht verlassen können, um ihnen die Kommunion zu spenden und in einer kurzen Feier ein Lied mit ihnen zu singen. „Ich freue mich, wenn ich erlebe wie sie sich im Haus geborgen fühlen und mich anlächeln“, sagt Genal. Sein ehrenamtliches Engagement ermögliche ihm, etwas von seiner christlichen Überzeugung an die Menschen weiter zu geben. „Das gibt auch mir selbst sehr viel.“ Es gibt kaum einen Sonntag, an dem er nicht den Gottesdienst im Ulrichspark feiert – ist er wirklich einmal verhindert, hat er für Ersatz gesorgt, worüber die Bewohner dankbar und glücklich sind.
Die christliche Überzeugung weitergeben
Frühgeburt wohl behütet. Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: Helmut C. (Name geändert) erzählte mir nach seiner Neuaufnahme seine Geschichte: „Und gleich nach der Geburt kam ich in den Brotkasten!“
Frühgeburt wohl behütet
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Mein Name auf der Liste. 1918 kommt in Stuttgart ein Junge zur Welt. Er ist Einzelkind. Sein Vater ist Eisengießer. Immer wieder hat der Junge „merkwürdige Anfälle“ – wie es damals heißt. Nach eingehenden Untersuchungen wird diagnostiziert, dass der Junge an Epilepsie leidet. 1934 kommt er nach Liebenau. Hier lebt er im St. Josefshaus und hilft in der Landwirtschaft mit. Am 2. Oktober 1940 steht sein Name auf der Liste für den Transport in die Tötungsanstalten. Dass es für ihn eine Reise in den Tod wird, ist ihm wie vielen anderen Betroffenen längst bewusst. Eine Pflegerin, die damals im St. Josefshaus arbeitet, erinnert sich später daran, dass man ihn „besonders sorgsam zum Transportwagen begleiten“ musste, „damit er nicht entweichen konnte“. Zwei andere Ordensschwestern berichten, dass er am Morgen vor dem Transport geflohen sei, um sich das Leben zu nehmen. Trotz seiner großen Angst sei er dann aber wieder zurückgekehrt: Der Gedanke, dass ein Anderer an seiner Stelle sterben müsse, habe ihn zu sehr gequält. Der junge Erwachsene wird in die Tötungsanstalt Grafeneck verschleppt und dort noch am selben Tag mit Gas ermordet.
Mein Name auf der Liste
Dr. Otto von Habsburg besucht den Ulrichspark. Der älteste Sohn des letzten Kaisers von Österreich warb bei einem Besuch der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in Kißlegg vor Senioren und Schülern für ein christliches und friedliches Europa. Dr. Otto von Habsburg, der internationale Präsident der Paneuropa Union, besuchte am 23. März 2004 auf Einladung den Ulrichspark in Kißlegg und das Schloss Bad Wurzach. Der 92-Jährige ist der älteste Sohn von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich, und ist doch als langjähriger Europa-Parlamentarier ein engagierter Demokrat und glühender Befürworter der Idee eines vereinten Europas. Das wurde im Verlauf seines Vortrags in Kißlegg mehrfach deutlich. „Alle müssen rein“, betonte Otto von Habsburg vor den Bewohnern des Ulrichsparks und Schülern der Realschule Kißlegg. Er hatte damit die Länder, die am 1. Mai Mitglieder der EU wurden, genauso im Auge wie potenzielle weitere Beitrittskandidaten auf dem Balkan. „Europa muss eine Großmacht werden – aber eine friedliche.“ Die Bedenken gegenüber einem erweiterten Europa, die in den eher skeptischen Nachfragen seiner Zuhörer deutlich wurden, zerstreute Habsburg. Integration in die EU gleich Sicherheit gleich wirtschaftlicher Fortschritt – so lautet die Formel, auf die der 92-Jährige seine Vision vom völlig geeinten Europa bringt. „Die Völker wachsen zusammen. Der Zusammenschluss Europas wird uns ein Gefühl von Frieden geben, das der Kontinent nie gekannt hat.“ Seine Ideen sind deutlich von der Erfahrung zweier Weltkriege geprägt. Er setzt auf die junge Generation: „Sie wird in Europa ohne Grenzen ein besseres Leben haben.“ Dabei sieht von Habsburg dieses Europa in betont christlicher Tradition: „Wir sind ein christlicher Kontinent – unsere ganze Kultur ist auf dem Christentum aufgebaut.“
Dr. Otto von Habsburg besucht den Ulrichspark
Der Höhepunkt im Sommer. Die Pflegeheime der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist sind schon immer ins jeweilige soziale Umfeld eingebunden. Das Spital Neutann und die Feuerwehren in Baienfurt verbindet nicht nur die Wolfegger Ach, sondern seit 30 Jahren das Inselfest und langjähriges soziales Engagement. Für die betagten Bewohner vom Spital Neutann ist das Fest der absolute Höhepunkt des Sommers. Das Fest wurde von der Freiwilligen Feuerwehr Baienfurt und der Werksfeuerwehr Stora Enso 1971 ins Leben gerufen und die Organisatoren beschlossen, den Erlös einem sozialen Zweck zukommen zu lassen. Die Wahl fiel schon bald auf das Spital Neutann. Zu Nikolaus erhielten alle Spitalbewohner ein kleines Geschenk überreicht und die überaus große Freude und Dankbarkeit, die den Spendern entgegenschlug, war der Beginn einer nun 30-jährigen freundschaftlichen Verbindung. Nicht nur die Bewohner sondern auch das Spital Neutann erhält immer wieder ein Geschenk: eine Kellenrieder Krippe, ein Videogerät mit großer Abspielwand, eine stabile Bank rund um den Baum und ein Ruhegleitsessel. Jedes Jahr verbringt eine Gruppe Spitalbewohner einen Nachmittag beim Inselfest in Baienfurt bei Kaffee, Eis oder Wurst und Musik sowie mit einer Zugfahrt über das Werksgelände. Aber vor allem raus aus dem Alltäglichen, das genießen die Neutanner in vollen Zügen und freuen sich am Ende des Tages schon wieder auf das nächste Jahr.
Der Höhepunkt im Sommer
Beten in der Gemeinschaft gibt Trost. In den Pflegeheimen der Stiftung Liebenau haben sich immer engagierte Bewohnerinnen und Bewohner gefunden, die sich unterschiedlichen Aktivitäten annehmen. Gerda Geiger war aktiv in der Rosenkranzgruppe im Ulrichpark. Das meditative Gebet wirkt tröstend für viele. Von draußen scheint die Sonne durch die Fenster des Aufenthaltsraums. Trotzdem brennt neben dem Strauß aus rosa Pfingstrosen und der geschnitzten Marienfigur eine Kerze. „Gegrüßet seist du Maria voll der Gnaden, der Herr ist mit dir.“ Die Perlen des Rosenkranzes gleiten durch die alten Hände. Gemeinsam beten die Bewohner des Kißlegger Ulrichsparks fast täglich den Rosenkranz. Gerda Geiger lebt seit 1997 im Ulrichspark und hat die Rosenkranzgruppe unter ihre Fittiche genommen. „Ich komme immer zeitig, zünde die Kerze an und fange an zu beten“, erzählt sie. Mit dem Gebet komme sie besser in den Tag und es würde ihr im täglichen Ablauf sehr fehlen, wenn sie darauf verzichten müsste. „Bisher habe ich noch nie gefehlt“, sagt sie und lacht dabei herzlich. Auch für die anderen Bewohner scheint das meditativ betrachtende Gebet hilfreich zu sein. „Durch das Beten in der Gemeinschaft entstehen Trost und Geborgenheit und man ist miteinander vereint“, beschreibt Gerda Geiger. Häufig entstehen nach dem Gebet zwischen den Bewohnern auch Gespräche über ganz andere Themen. Gerda Geiger engagiert sich außerdem als Lektorin, im Flötenkreis und sucht für die Eucharistiefeier am Mittwoch und die Wortgottesdienstfeier am Sonntag die passenden Lieder zur Lesung aus. „Vor allem die alten Lieder werden von den Bewohnern sehr gerne gesungen“, weiß sie. Der Ulrichspark hat zusätzlich zum „Gotteslob“ extra ein kleines, blaues Gesangsheft mit den heute weniger gebräuchlichen Liedern drucken lassen. Die Augen halb geschlossen, wiederholen die Frauen und Männer beim Rosenkranz die immer gleichen Worte. „Heilige Mutter Gottes, bitte für uns. Jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ Jeder ist ganz bei sich. Die Augen halb geschlossen – ja, das Gebet hat etwas sehr Meditatives und Tröstendes.
Beten in der Gemeinschaft gibt Trost
Einen Bollerwagen für Marcus. Einsatz für die Allgemeinheit wird anerkannt: Marcus Kuhlemann aus den „Lebensräumen für Jung und Alt“ bekam mit einer praktischen Anerkennung, die seinen Dienst erleichtert. Mit einem Bollerwagen hat die Stadt Ravensburg das Engagement von Marcus Kuhlemann belohnt. Marcus ist 24 Jahre alt und geistig behindert. Er wohnte bei seiner Mutter in der Wohnanlage Lebensräume am Gänsbühl. Regelmäßig entsorgte er die Wertstoffe, die bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohnanlage anfallen. Jeden Freitag stellte Marcus Plastiksäcke und Behältnisse auf und sammelte den Recycling-Müll ein. Er wurde von den Bewohnern der Wohnanlage für den Umweltpreis der Stadt Ravensburg 1998 vorgeschlagen. Dafür hat es zwar nicht gereicht. Zum Trost hat ihm die Stadt allerdings den Bollerwagen finanziert, der ihm bisher für seine Arbeit fehlte.
Einen Bollerwagen für Markus
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Damals im Altersheim. Vieles war im Altersheim früher ganz anders als es in den modernen Häusern heute ist. Monika Paulus ist seit 1993 in der Stiftung Liebenau und hat die Entwicklung vom Altersheim zum Pflegeheim als Hausleiterin vom Franziskuszentrum Friedrichshafen mitgestaltet. Sie erinnert sich in der anna live 2 2015: „In den 90er-Jahren hieß das Pflegeheim noch Altersheim. Denn wer pflegebedürftig wurde, lebte meist nicht mehr lange. Ein Oberschenkelhalsbruch zum Beispiel bedeutete oft, dass der ältere Mensch bettlägerig wurde und in vielen Fällen bald starb. Hier hat die moderne Medizin viel Positives bewirkt. Auf dem Land gab es viele Heime, die auch Nutztiere hielten. Die Tiere wurden mit Essensresten versorgt und lieferten dafür Frühstückseier und Fleisch. Inzwischen sind die Eier der Salmonellen-Prophylaxe und die Tiere der veränderten Organisation zum Opfer gefallen. Bewohnerinnen und Bewohner halfen damals selbstverständlich in der Küche, der Hauswirtschaft, im Garten und in der Betreuung mit. Sie waren jünger und rüstiger als heute. Aber auch heute ist die Teilhabe am Alltagsleben, aktiv oder passiv, bewusst Thema in den Häusern der Pflege. Ganz anders waren auch die baulichen Voraussetzungen: Barrierefreiheit war nur Thema in neuen Häusern. In den Zimmern lagen Teppiche, überall waren Schwellen und Treppen. Wer ins Heim kam, brachte sein Bett selbst mit: ein halbes Ehebett oder ein altes Gästebett. Damals gab es zum Beispiel im Haus St. Johann in Tettnang nur ein Pflegebett für 60 Bewohnerinnen und Bewohner. Zum Essen gab es nur ein Gericht, keine Wahlmenüs. Essenszeiten richteten sich nach dem Personal: Mittagessen um elf, Abendbrot um halb fünf. Heute können die Menschen in den Häusern der Pflege individuell bis elf Uhr frühstücken. Mittagessen gibt es um zwölf und Abendbrot nicht vor halb sechs. Und für die Nacht ist immer was im Kühlschrank. Vieles war ganz anders, doch damals wie heute geht es um ein würdevolles Altern, um Nächstenliebe und Respekt vor dem Alter. Was in alten Zeiten vorwiegend von den in der Pflege tätigen Ordensschwestern gelebt wurde, haben heute die Fachkräfte in der Pflege übernommen.“
Damals im Altersheim
Frühdienst mit schmerzhaften Folgen. Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: "Eines Morgens betrat ich meine Wohngruppe und traf sofort auf unseren kleinen, damals circa 16 Jahre alten Thomas H. (Name geändert). Er war kreidebleich im Gesicht und hatte weit aufgerissene Augen vor Angst. „Ja was ist denn mit dir?“, fragte ich ihn. „Oh Schleicher, i hon son Gruselfilm gesehe und konnt nit schlofe….“. „Ja was denn für einen Gruselfilm?“, wollte ich wissen und er brachte stotternd zu Tage: „Oh i wois den Name nimmer – Moment – wia hiess der au glei ?“ Er überlegte und schoss dann heraus: „De Klempner von Rotterdam!“ und verstand absolut nicht, warum ich und mein hinzugekommener Kollege laut lachend den Frühdienst anständig herumzubringenversuchten. Ich hatte (nicht nur) an dem Morgen Bauchweh vor Lachen. Der Spruch wurde zur Legende, wann immer die Rede im Kollegenkreis darauf kam."
Frühdienst mit schmerzhaften Folgen
Weich fallen ist eine hohe Kunst. In der Landwirtschaft der Stiftung Liebenau gab es früher viele schwere Tätigkeiten. Erika Neff hat immer gerne fest mitangepackt. Manchmal ging aber auch was ins Auge – und grad noch glimpflich aus. In der Landwirtschaft war alles sehr nett. Und die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Wir haben keine Maschinen gehabt. Wir haben alles von Hand gemacht. Durch das habe ich auch viel Kräfte entwickelt. Und eines Tages mussten wir die Säcke mit Getreide auf die Bühne hochtragen. Die habe ich auf den Schultern auf die Bühne hochgeschleppt. Es ging eine ganz schmale Treppe hoch. Die war auch schon abgetreten. Ich bin da hoch. Und – rutsche aus und flieg‘ mit dem gesamten Sack hinterrücks die Stiege runter. Gott sei Dank ist nichts passiert: Ich bin auf dem Sack gefallen, weil ich den auf dem ‚Buckel‘ getragen hatte.
Weich fallen ist eine hohe Kunst
Der Stier im Kartoffelkeller. In der kalten Jahreszeit gab es zwar wenige, aber doch einige Aufgaben in der Landwirtschaft der Stiftung Liebenau zu bewältigen. Die heute 74-jährige Erika Neff war immer gerne dabei. Manchmal gab es auch polternde Überraschungen. Im Winter, wenn es Schnee gehabt hatte, dann hatten wir ja keine Arbeit. Dann mussten wir Kartoffel-Triebe wegmachen. Die Kartoffeln sind über den Winter im Keller gelagert worden. Einmal sind wir mit der Marie Kunzelmann da unten. Fünf Leute waren wir. Feldmädle. Marie Kunzelmann war Angestellte und für uns zuständig. In den Keller ging eine hohe Treppe. Die große Kellertür konnte man ganz weit aufmachen. Und… auf einmal… Da hat es einen ‚Rumser‘ gemacht. Wir sind so erschrocken: Jetzt liegt da ein Stier auf dem Boden. Der muss von der Metzgerei rausgerannt sein. Und der ist die Stiege in den Keller runtergestürzt. Oh je, hatten wir Angst. Wir sind ins hinterste Eck gerannt. Die Körbe und alles haben wir fallen lassen. Den großen Stier haben sie dann mit der Zugmaschine geholt.
Der Stier im Kartoffelkeller
Schweine im Obstgarten. Erika Neff kam als 14-Jährige in die Stiftung Liebenau. Die heute 74-jährige Frau hat in der Landwirtschaft gearbeitet und das sehr gerne. Sie hat einige Geschichten zu erzählen, etwa die Jagd nach den Schweinen im Obstgarten. Wir waren auf der Landwirtschaft, wo ich damals geschafft habe. Und das hat mir Spaß gemacht. Früher hatte man noch viele Kirschbäume. Und man auch noch selbst geschlachtet. Am Montag war immer Schlachttag. Eines Montags hat man auch fünf Sauen zum Schlachten gebracht. Doch der Metzger muss die Sau nicht richtig getroffen haben. Und: Alle Sauen sind in den Kirschgarten geflüchtet, weil der Viehwagen nicht richtig an der Tür gestanden hatte. Wir alle in den Kirschgarten hinterhergerannt. Dann hieß es: Jetzt muss man die Sauen einsammeln. Oh je, bis wir die alle eingefangen hatten. Erstens einmal waren sie durch den Schuss so erschrocken. Und zweitens in dem Gestrüpp im Kirschgarten haben sie sich auch nicht mehr zurechtgefunden. Sie waren in Todesangst. Schließlich haben wir die Sauen in die Metzgerei hineingetrieben: Das war ihr Ende dann.
Schweine im Obstgarten
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Lebensräume interessant für Japan. Sogar bei der japanischen Presse stießen die „Lebensräume für Jung und Alt“ auf Interesse. Ende Januar 2007 waren zwei Journalisten der mit über acht Millionen Exemplaren weltweit auflagenstärksten Tageszeitung „The Asahi Shimbun“ zu Besuch in der Stiftung Liebenau. Zusammen mit dem damaligen Leiter Forschung und soziale Entwicklung – Gerhard Schiele – besuchten sie die Lebensräume in Waldburg. Dabei interessierten sich die Journalisten für das ehrenamtliche Engagement der Bewohnerinnen oder wollten die Hintergründe erfahren, weshalb jemand sich zum Einzug in die Lebensräume entschieden hat. In Japan vollzieht sich seit geraumer Zeit ähnlich wie in Deutschland ein demographischer Wandel. 2007 wurden japanische Frauen im Schnitt 85 Jahre alt (2017: 87 Jahre), japanische Männer fast 78 Jahre (2017: 81 Jahre). Japaner haben weltweit die höchste Lebenserwartung. Selbst befragt nach der Situation in ihrem Land, schilderten die beiden Journalisten, dass die Vereinsamung alter Menschen ein sehr großes Problem darstelle und die Selbstmordrate bei älteren Menschen auffallend hoch sei. Angesichts solcher Entwicklungen interessierten sich Politik und Öffentlichkeit immer mehr für Möglichkeiten, um Menschen im Alter größtmögliche Lebensqualität inmitten der Gesellschaft und in der Gemeinschaft zu bieten, so Journalistin Tomoko Shioda.
Lebensräume interessant für Japan
Schüler helfen Senioren am Handy. „Hilfe, wie funktioniert mein Handy?“ so hieß 2007 ein neues Projekt der Lebensräume für Jung und Alt Gänsbühl in Ravensburg in einer Kooperation mit der Wilhelm-Realschule in Ravensburg. Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse beantworteten Fragen zur Funktionsweise des Handys. Die 83-jährige Rita Finkbohner konnte zwar schon mit dem Handy telefonieren. Aber sie wollte von Sebastian Reger (Foto) wissen, wie man Einträge vornimmt und löscht: „Eigentlich geniert man sich ja zu fragen. Aber der Sebastian hat das so prima erklärt.“ Alle neun Paare haben sich zu einem zweiten Treffen verabredet, denn mehr Speicherkapazität hatte die menschliche Festplatte nicht zur Verfügung. Mit Sätzen wie „Mir raucht der Kopf“ und „Ich habe versprochen bis zum nächsten Treffen zu üben“, ging das erste Treffen zu Ende.
Schüler helfen Senioren am Handy
Fernsehfreuden. Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: „Heute Abend kommt wieder meine Lieblingsserie!“, erzählte mir Josef W. (Name geändert) beim Abendessen. „Was für eine Serie schaust denn?“ Josef darauf: „Die Wolkenkracher von Franz Franzisko!“
Fernsehfreuden
Kuschelpause mit Bella. Tiere können Trost spenden, entspannen, Freude und Abwechslung schenken. Diese Erfahrung durften Bewohnerinnen und Bewohner unserer Pflegeheime immer wieder machen. Ein Beispiel dafür war der Besuch von Bella und ihren vierbeinigen Freunden im Haus St. Elisabeth in München. Über viele Jahre hinweg freuten sich die Bewohner auf den regelmäßigen Besuch von Mitgliedern des Vereins Streichelbande. Während die Hundebesitzer mit den Bewohnern gemeinsam Kaffee tranken, stromerten die Hunde von einem Tisch zum anderen, denn die Herrschaften vom Haus St. Elisabeth waren immer mit feinen Leckereien für die Hunde ausgerüstet. Dafür ließen diese sich gerne streicheln, machten das eine oder andere Kunststück und die Kleineren machen auch mal eine Kuschelpause auf einem Schoß. Die Bewohner hatten während des Besuchs zufriedene Gesichter, lachten viel und genossen den Kontakt zu den Vierbeinern.
Kuschelpause mit Bella
Wer hoch klettert, fällt manchmal sogar weich. Die heute 74-jährige Erika Neff ist als Kind schon immer gerne geklettert. Das brachte ihr in der Landwirtschaft der Stiftung Liebenau so manchen – nicht immer ganz gefahrlosen – Auftrag. Einmal stürzte sie gar beim Kirschenpflücken von der hohen Leiter. Passiert ist dem sportlichen Mädchen glücklicherweise nichts. „Im Sommer habe ich immer Kirschen gebrockt. Wir hatten ganz viele Sorten. Große hohe Bäume. Und ich bin gerne geklettert. Ich durfte immer auf die Leiter hinauf – bis ganz oben hinauf, um die besten Kirschen herunterzuholen. Und eines Tages war es wieder so weit. Da gab es aber eine neue Leiter mit drei Füßen. Mit Eisenspitzen. Die wurde in die Erde hineingerammt, damit sie hält. Sie haben zu mir gesagt: ‚Du bist der Kletterer. Du kannst hier rauf und die Kirschen brocken.‘ Ich hatte mir einen kleinen Kirschkorb um den Bauch geschnallt. Und so bin ich hinauf. Ganz oben waren die besten Knorpelkirschen: schwarz und dick und groß. Die wollte ich greifen, streck mich ein bisschen, und: Die ganze Leiter kippt samt mir um. Und ich hab‘ auf der Wiese einen Purzelbaum geschlagen. Mir ist zwar Gott sei Dank nichts passiert. Aber der Kratten (Korb) war kaputt und die Leiter, die war nachher auch demoliert.
Wer hoch klettert, fällt manchmal sogar weich
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„Ein Treiben wie in einer Großstadt“ Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Liebenau. Am 8. Mai 1945 gilt der Zweite Weltkrieg als beendet. Auch Liebenau war durch die Kriegsjahre und durch das Wüten der Nationalsozialisten schwer getroffen: Deportationen von Bewohnern, Interniertenlager und Zwangsarbeiter. “Ein Bild der Verwirrung und des Durcheinanders“ heißt es in der Festschrift der Stiftung Liebenau zu ihrem 75-jährigen Bestehen. Was geschah vor 75 Jahren in Liebenau? Am Nachmittag des 29. April 1945 zwischen 14 und 15 Uhr rollten die ersten „feindlichen Panzer“ in Liebenau ein. Sie wurden von den damals in Liebenau internierten Frauen stürmisch begrüßt. 14 Tage lang besetzten rund 150 französische Soldaten und 40 kriegsgefangene Serben Liebenau. Dazu wurden im Gut Betha Haus (heutige St. Lukas-Klinik) Betten aufgeschlagen. Allerdings soll es auch zu Plünderungen der Internierten durch die Soldaten gekommen sein. Liebenau wurde vom englischen Oberst Head, einem Attaché der ersten Französischen Armee, übernommen. Der damalige Direktor Josef Wilhelm schrieb in seinem Jahresbericht „Nun erfolgte ein gewaltiger Umschlag in dem Benehmen der Internierten. Mit der Anstaltsordnung war es vorbei. Tag und Nacht fuhren Autos hin und her wie in einer Großstadt.“ Ab Juni 1945 wurden dann die Internierten nach und nach in ihre Heimatländer gebracht. Das dauerte rund zweieinhalb Monate, bis zum 10. August. Als am 28. August nach langer Zeit wieder eine Sitzung des Verwaltungsrats abgehalten werden konnte, war Liebenau zwar immer noch beschlagnahmt, aber es bestand wieder Handlungsfreiheit, was die Betreuungsarbeit anging. Das Jahr 1945 war eigentlich ein Jahr der Feste und Jubiläen: Liebenau bestand seit 75 Jahren, Direktor Josef Wilhelm wurde 70 Jahre und war seit 35 Jahren im Amt. Es wurde „einfach“ aber „sehr würdig“, „ganz auf das Religiöse eingestellt“ gefeiert.
„Ein Treiben wie in einer Großstadt“
Geschichte mit vielen Stationen. Norbert Nägele hat viele unterschiedliche Stationen erlebt. Er wohnt und arbeitet seit vielen Jahren bei der Stiftung Liebenau. Heute ist sein Zuhause Rosenharz. Ich heiße Norbert Nägele und wurde am 20. September 1961 in Laupheim, Kreis Biberach, im Krankenhaus geboren. Wir waren acht Kinder. In Hürbel bei Ochsenhausen war ich im Kinderheim bis ich sieben Jahre alt war. Ab September 1968 war ich im alten Josefshaus in Liebenau mit 30 anderen im Schlafsaal. Schwester Oswenda und Herr Hübner haben uns betreut. Wir haben morgens und mittags Schule gehabt und am Wochenende haben wir einen Spaziergang gemacht. Eine Kantine gab es noch nicht, wir haben in der Wohngruppe Kaffee und Kuchen gehabt. In Liebenau gab es damals eine Bäckerei und eine Metzgerei. In der Bäckerei haben wir unser Brot und Wecken geholt. Die Großküche hat für uns gekocht und das Fleisch in der eigenen Metzgerei geholt. Ich habe die Sonderschule in Liebenau und später in Hegenberg besucht. Den Sonderschul- und Hauptschulabschluss habe ich bestanden. Danach habe ich bei Herrn Baum in der Gärtnerei in Liebenau meine Ausbildung zum Gartenbaufachwerker gemacht. Wo heute der große Parkplatz ist, war früher eine Ausbildungsschule. Ich habe gute Noten gehabt. Nach der Ausbildung habe ich zwei Jahre in der Gärtnerei Glaser in Friedrichshafen geschafft. Von 2001 bis jetzt war und bin ich wieder in der Stiftung Liebenau: erst in Lukas 11/12 und dann im Franziskus und seit 2007 in Rosenharz. Gearbeitet habe ich in Liebenau im Holzhof bei Reiner Manghard und Georg Lüdke. In Rosenharz habe ich erst in VIN 13 gewohnt und dann in MAG 01. Jetzt wohne ich im eigenen Apartment in VIN 21. Da es mir gesundheitlich nicht so gut geht, habe ich von der Grünlandgruppe in die Industriearbeitsgruppe gewechselt. In meiner Freizeit habe ich früher beim FC Rosenharz Fußball gespielt. Das kann ich jetzt nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen. Außerdem bin ich im Heimbeirat von Rosenharz.
Geschichte mit vielen Stationen
Rezepte aus Großmutters Zeit. Erzählen, Kochen, Essen: In dieser Reihenfolge verlief ein gemeinsames Projekt der „Lebensräume für Jung und Alt“ und der Hauptschule in Meckenbeuren im Jahr 2000. Die Bewohnerinnen erzählten den Schülerinnen und Schülern, wie sie früher ohne Waschmaschine große Mengen an Wäsche bewältigten. Danach ging es sprichwörtlich ans Eingemachte: Die Bewohnerinnen zeigten, wie sie früher Lebensmittel und andere Dinge haltbar gemacht haben. So entstanden in der Schulküche unter anderem Sauerkraut und Ringelblumensalbe. Für das Mittagessen hatte im Gegenzug die junge Generation gesorgt: Pizza mit Pilzen, Schinken und Salami stand auf dem Speiseplan.
Rezepte aus Großmutters Zeit
Erste Schritte im World Wide Web. Das Internet steckte fast noch in den Kinderschuhen, als im Jahr 2001 die erste Website der Pflege online ging. Man fand dort auf rund 90 verschiedenen Seiten Informationen zu sämtlichen Bereichen der Altenhilfe. Wer eine Stelle im sozialen Bereich suchte, konnte sich in einer umfangreichen Jobbörse umsehen.
Erste Schritte im World Wide Web
Gefährlicher Streit. Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: Michel G. (Name geändert), im „Nebenberuf“ Ersthelfer beim Roten Kreuz, hatte einen heftigen Streit mit meinem Kollegen, ging in die Küche, kam mit zwei großen spitzen Küchenmessern auf ihn zu und sagte: „Di stech' i ab!“ Daraufhin fragte mein Kollege schlagfertig: „Hast du die Messer denn vorher sterilisiert?“ Michel schaute beide Messer erstaunt an und sagte „Ha noi“, woraufhin mein Kollege rief: „Ja spinnst du? Glaubst du, ich will ‘ne Blutvergiftung kriegen?“ Was Michel sofort zum wortlosen Umdrehen bewegte und den Streit ad hoc beendete.
Gefährlicher Streit
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Vor 20 Jahren: Babys im Pflegeheim. Ungewohnt junge Besucher kamen an einem Herbstnachmittag ins Pflegeheim St. Severin. Zu einem „Babycafé“ waren Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen, die sich gerade im Erziehungsurlaub befinden, mit ihren kleinen Kindern eingeladen. Die Wiedersehensfreude mit den Bewohnern stand den stolzen Müttern ins Gesicht geschrieben, als sie ihren Nachwuchs vorstellen durften. Gut gelaunt ließen sich die Kleinen in die Arme nehmen. Bei Apfel- und Zwetschgenkuchen genossen so alle drei Generationen einen ganz besonderen Nachmittag.
Vor 20 Jahren: Babys im Pflegeheim
Spanische Grippe in Liebenau. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, in den Jahren 1918 und 1920, grassierte die Spanische Grippe. Eine Pandemie, die weltweit rund 50 Millionen Menschen das Leben gekostet haben soll. Die ersten Erfahrungsberichte kamen aus Spanien, daher der Name. Dazu hatten die damals weltweit sehr liberalen Pressegesetze Spaniens beigetragen, die eine offene Berichterstattung über die Krankheit zuließen. Obwohl die Pandemie in Amerika ihren Ursprung hatte. Auch die damalige Pflegeanstalt Liebenau blieb nicht verschont. Überliefert sind Berichte des Oberarztes Dr. Gutekunst und des damaligen Direktors Josef Wilhelm. Demnach trat die Grippe in Liebenau in zwei Wellen auf. Die erste im Mai 1918 und die zweite im Oktober desselben Jahres. Diese war wesentlich stärker als die erste: Waren im Frühjahr zunächst nur einzelne Fälle in einigen Abteilungen aufgetreten, kam es am 24. Oktober „wie auf einen Schlag“ zu einer massenhaften Ausbreitung. 314 Menschen, darunter 32 Ordensschwestern und 13 Angestellte waren an der Spanischen Grippe erkrankt. Für die gesund gebliebenen Schwestern war die Situation sehr belastend. Denn sie mussten sich „in rastloser Arbeit bei Tag und Nacht“ um die Gesunden und die Kranken kümmern. Mit 269 Kranken waren über die Hälfte der damaligen Bewohner mit dem neuartigen Grippevirus infiziert. Vor allem traf es dabei die 20 bis 40-Jährigen. Die 60 bis 80-Jährigen blieben erstaunlicherweise verschont. Der damalige Hausarzt Dr. Gutekunst hat die Grippesymptome in drei Erscheinungsformen eingeteilt. Eine „nervöse Form“ mit hartnäckigem Fieber und starkem Nasenbluten. Eine „katarrhalische Form“, die am häufigsten auftrat, mit starkem Reizhusten, Rippenfell- und Lungenentzündungen. Und schließlich eine „gastritische Form“ mit kollikartigen Darmschmerzen. Alle hatten mit hohem Fieber, Kopfweh, Appetit- und Schlaflosigkeit zu kämpfen. Erschwerend kam auch noch die damalige Ernährungssituation hinzu. Fleisch und Fett waren rationiert und der Ausfall der Obsternte sorgte für Vitaminmangel. Ein wichtiger Ausgleich war jedoch das Gemüse aus dem eignen Betrieb. Trotz der hohen Zahl an Infizierten blieb die Stiftung Liebenau am Ende doch vom Ärgsten verschont: Durch die Spanische Grippe starben vier Pfleglinge, von denen drei bereits vorher geschwächt waren. Auch zwei Schwestern sind gestorben, eine von ihnen hatte bereits vorher eine Tuberkulose. 13 Menschen, die unter schweren Symptomen litten, hatten Glück und überlebten.
Spanische Grippe in Liebenau
Magnus, Mozartkugeln und „Mensch ärgere Dich nicht“. Engagierte Betreuung von pflegebedürftigen älteren Menschen ist keine Frage des Alters. Vielmehr geht es um die Freude am Helfen, den Spaß am Spiel, die (kindliche) Nächstenliebe und eine angemessenen Ent- beziehungsweise Belohnung, zeigt das Beispiel von Magnus Gehrer aus Gaissau, der 1800-Seelen-Gemeinde in Vorarlberg, aus dem Jahr 2007. Inge Gehrer ist seit über 20 Jahren Pflegehelferin im Haus St. Josefsheim. Die Mama des zehnjährigen Magnus und dessen kleinen Bruders Julian nimmt ihre Söhne aufgrund fehlender Kinderbetreuung öfter mit zur Arbeit. Anfangs war das für die beiden lebhaften Jungs eine recht langweilige Angelegenheit, einfach nur rumzusitzen und der Mama beim Arbeiten zuzuschauen. Dann kommt Magnus eine Idee: „Wir könnten doch bei der Betreuung mithelfen.“ Gesagt, getan. Zuerst beschränken sich die Tätigkeiten auf kleine Aufgaben, zum Beispiel Saft holen und ausschenken. Damit ist der Tatendrang allerdings längst nicht gestillt. Flugs wird eine Partie „Mensch ärgere Dich nicht“ initiiert. Wer zu gebrechlich ist, um alleine zu würfeln oder die Figuren zu bewegen, dem greifen die Jungs buchstäblich unter die Arme. Noch ist der Nachmittag nicht zu Ende und die Schicht der Mutter geht bis nach dem Abendessen. Also beteiligen sich die beiden an der Rätsel- und Lesestunde und teilen später auf großen Tablets das Abendessen an die Bewohnerinnen und Bewohner aus. Ganz schön anstrengend und abwechslungsreich ist so ein Arbeitstag, aber auch irgendwie schön zu sehen, wie viel Dankbarkeit und Freude man zurückbekommt. Und ganz umsonst ist die tatkräftige Unterstützung auch nie. Bewohnerin Ida Leuthold steckt den Brüdern bei jedem „Arbeitsbesuch“ zwei Mozartkugeln zu. Was auch noch gut tut: „Meine Mama lobt mich, weil ich so viel geholfen habe“, freut sich Magnus.
Magnus, Mozartkugeln und „Mensch ärgere Dich nicht“
Wo der Elefant tanzt. Innerhalb der Stiftung Liebenau entbrannten schon immer auch Wettbewerbe, etwa wenn es darum ging, wer die beste Musik komponiert. Manches ist nicht ganz ernst zu nehmen, dafür umso lustiger. Außerdem fördert es den Zusammenhalt und die Motivation. Den Ententanz kennt spätestens seit Anfang der 1970er-Jahre jedes Kind – und jeder Erwachsene selbstverständlich auch! Nanananananana, nananana, nananana, klatsch, klatsch, klatsch, klatsch (sorry, für den Ohrwurm). Was aber die Wenigsten wissen ist, wer ihn erfunden hat. Natürlich, die Schweizer! Das konnten und wollten die alpenländischen Nachbarn nicht auf sich sitzen lassen und so entwickelten Kolleginnen und Kollegen der Altenhilfe in Österreich 2005 den sogenannten „Elefantentanz“. Er dient zur Entspannung und Selbstmotivation der Mitarbeitenden vor Ort und hat mittlerweile einen festen Platz im Heimalltag gefunden. Er findet statt, wenn die Zeit dafür reif ist, sei es ein- oder zweimal pro Tag oder Woche, immer dann, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ein paar andere dazu animiert. Kurz darauf bewegt sich die Gruppe zu lustiger Musik hüpfend im Kreis, im Flur oder Garten, und jeder fasst sich abwechselnd an die eigene Nase und die Ohren. Danach geht es mit einem Lächeln wieder an die Arbeit.
Wo der Elefant tanzt
Postkarte mit Rose. Wo sich wie in der Stiftung Liebenau tagtäglich die verschiedensten Menschen treffen, gibt es viele Interaktionen, die sehr berührende Geschichten bergen. Eine davon erzählt Vera Ruppert aus der Abteilung Kommunikation und Marketing. Ein normaler Arbeitstag in Liebenau. Ich holte meine Post aus dem Ablagefach. Dort war ein Brief für mich. Von Hand beschriftet, mit einem Pferdeaufkleber, wie ich ihn noch aus meinem Poesie-Album kenne. Ich öffnete den Brief. Es befand sich eine Karte darin, die auf der Vorderseite eine wunderschöne rote Rose abbildete. Ich las die Karte und hatte plötzlich Tränen in den Augen. Eine liebe Kollegin mit Down-Syndrom, hat sich bei mir bedankt. Ich hatte ihr ein Poster zukommen lassen, das wir für eine Veranstaltung, mit ihr als Model, aufgehängt hatten und nicht mehr benötigten. Sie hat sich so sehr darüber gefreut, dass sie mir persönlich eine Karte geschrieben hat. Man merkte, dies hat sie bestimmt nicht einfach so in ein paar Minuten getan: Sie hatte sich richtig viel Mühe gegeben. Bestimmt ist ihr das aufgrund ihrer Behinderung nicht ganz leichtgefallen. Das Poster hat sie in ihrem Zimmer aufgehängt. Das hat mich sehr berührt. Und die Karte enthielt ein treffendes Gedicht: Es sind die kleinen Gesten und die kleinen Sachen, die uns oft trösten oder traurig machen. Es sind die kleinen Freuden, die uns Wärme schenken. Es sind die kleinen Leiden, die uns bitter kränken. Es sind nur kleine Zeichen, die wir täglich geben. Doch stellen sie die Weichen fürs Miteinander-Leben.
Postkarte mit Rose
Haben Sie auch eine Stiftung Liebenau Geschichte?
Speisung der Sterne . Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: Wolfgang B. (Name geändert) stand mit meinem Kollegen auf dem Balkon. Es war dunkle Nacht und sie rauchten die letzte Zigarette zusammen, als Wolfgang in den Himmel deutete und meinte: „Schau, das dort ist der Große Essenswagen!“
Speisung der Sterne
Der Bundespräsident verabschiedet sich. Im Sommer 2002 war Bundespräsident Johannes Rau zu Gast in Liebenau. Er kam anlässlich der Verabschiedung des damaligen Vorstands Helmut Staiber, vermittelt über Dr. Klaus Kinkel, der schon damals ein langjähriger Freund der Stiftung Liebenau war. Rau hatte zunächst die Lebensräume für Jung und Alt in Meckenbeuren besucht und dort Gespräche geführt. Auch die St. Lukas Klinik stand auf seinem Besuchsprogramm. Das Festzelt zum Sommerfest war für diesen Anlass besonders festlich geschmückt, und die anwesenden Gäste erwarteten gespannt den hochrangigen Besucher. Der traf aufgrund der verschiedenen Besuche und Gespräche allerdings später als geplant im Festzelt ein. Nach der Begrüßung durch den Vorstand ging er ans Podium, faltete seinen Ablaufplan auf und las daraus vor: „Es ist 16 Uhr - der Bundespräsident verabschiedet sich“. Das sorgte für allgemeine Heiterkeit, auch wenn der Bundespräsident damit darauf hinweisen wollte, dass er bereits über der Zeit war. Trotzdem hielt er dann noch eine interessante Rede, bevor er sich tatsächlich verabschiedete. Das Bild zeigt Johannes Rau am Rednerpult.
"Der Bundespräsident verabschiedet sich"
Andenken an Adolf Aich. Adolf Aich, Initiator und erster Vorstand der Stiftung Liebenau wurde 1874 Pfarrer in Wilhelmskirch, einer oberschwäbischen Gemeinde, die heute zu Horgenzell. 1886 entstand auf seine Anregung hin die Andachtsstätte „Föhrenbühl“ im nahegelegenen Wolketsweiler (ebenfalls heute zu Horgenzell), für die zunächst eine Lourdes-Grotte errichtet wurde. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an Adolf Aich. Das Bild zeigt die Gedenktafel.
Andenken an Adolf Aich
Wie das Fähnlein im Winde. Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt die Wetterfahne auf der St. Lukas-Klinik. Hergestellt im Jahr 1905, war sie hundert Jahre später in desolatem Zustand. Teile des Zinkbleches waren durch Oxidation bereits weggebrochen. Die Kunstschmiede Oskar Hafen aus Meckenbeuren fertigte die Wetterfahne in 200 Stunden Arbeit originalgetreu nach, allerdings wurde als Material nun Titan-Zink gewählt. Und damit auch die Nachwelt sich ein Bild vom Jahr der Rekonstruktion machen kann, wurden ein Exemplar der Schwäbischen Zeitung, der Jahresbericht der Stiftung Liebenau und der neueste „Anstifter“ in die Kugel am Sockel der Wetterfahne geschweißt. Das Bild zeigt (von links) die beiden Geschäftsführer der St. Lukas-Klinik Dr. Edgar Kessler und Wolfgang Oppolzer, die Kunstschmiede Ernst Beck und Oskar Hafen sowie Vorstand Dr. Markus Nachbaur vor der Montage der neuen Fahne.
Wie das Fähnlein im Winde ...
Der Mann fürs Leben. „Als ich ihn das erste Mal sah, hat es sofort geknallt“, erinnert sich Conni Peter lachend an die erste Begegnung mit „ihrem“ Horst, dem Mann mit dem strahlenden Gesicht. „Ich bin stolz, dass ich den Mann für mein Leben kennengelernt habe.“ Das war vor über 25 Jahren, geheiratet haben die beiden im Mai 1997. Dass Menschen mit einer geistigen Einschränkung heirateten, war damals eine Besonderheit. Conni Peter musste sich daher kritische Fragen gefallen lassen. Doch sie ließ sich nicht beirren. „Ich mag den. Ich nehme ihn an.“ Das gilt bis heute. Horst Peter sitzt neben ihr im Rollstuhl. Er strahlt sie an, sie strahlt zurück. Conni Peter ist heute 65 Jahre, lebt in Rosenharz und wird bei Bedarf ambulant in ihrer Wohnung von Fachkräften der Stiftung Liebenau begleitet. Ihr Mann wohnt seit fast vier Jahren im Haus St. Pirmin im Fachzentrum Liebenau. Der 82-Jährige benötigte nach zwei Oberschenkelhalsbrüchen umfangreichere Pflege. „Mein Mann kommt als erster: Ich will, dass es ihm gut geht.“ Conni Peter besucht ihren Horst zweimal in der Woche in Liebenau. Das Bild zeigt Conni und Horst Peter an ihrem Hochzeitstag.
Der Mann fürs Leben
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Aus dem Fenster auf die Alpen schauen. Der Blick aus dem Fenster auf die Alpen: Das ist es, was einer ehemaligen Internierten aus der Zeit in Liebenau vor allem in Erinnerung geblieben ist. Teresa Cwiek war zusammen mit ihrer Schwester Irina Orzechowski im Jahr 1942 acht Monate im Internierungslager für ausländische Frauen in Liebenau untergebracht. Nachdem Teresa Cwiek in den letzten Jahren ihres Lebens recht oft über ihre Zeit in Liebenau gesprochen hatte, begab sich Christine Knight auf Spurensuche. Im Frühjahr 2016 war sie dann bei Archivarin Susanne Brüstle zu Gast, schaute sich in Liebenau um und konnte auch den Blick aus dem Fenster auf die Alpen nachvollziehen. Das Bild zeigt den Blick auf das Schloss Liebenau mit den Alpen im Hintergrund.
Aus dem Fenster auf die Alpen schauen
Außergewöhnliche Urlaubsgrüße. Aus den gesammelten Erinnerungen von Ulrich Schleicher, der 40 Jahre in Hegenberg und Rosenharz gearbeitet hat: Siegfried H. (Name geändert) bekam eine Postkarte. Schwester Engelberta, die früher noch in Liebenau und Hegenberg gearbeitet hatte, hatte sie ihm aus ihrem Winterurlaub geschickt. Ich fragte ihn, woher die Karte kam, was Siegfried schnell beantwortete: „Aus Max und Moritz in der Schweiz!“
Außergewöhnliche Urlaubsgrüße
Hier bekommt Iltis 06 neue Farbe. Schnelle Autos, starke Motoren – ein Hauch Formel 1 wehte im Mai 2006 durch die Malerwerkstatt im BBW. Ausbilder Hans-Markus Oberhauser arbeitete mit seinen Lehrlingen an einem Rennwagen. „Iltis 06“ war ein Projekt der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung. Im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs hatten verschiedene Fakultäten einen wettbewerbstauglichen Prototype eines Rennboliden für Hobbyrennfahrer gebaut. Zu den Sponsoren zählte neben großen Metall- und Elektronikfirmen auch das BBW. Sein Beitrag: die fachmännische Lackierung der kompletten Einspritzanlage – übrigens das einzige lackierte Teil an dem Fahrzeug, das ansonsten komplett aus Karbon besteht.
Hier bekommt Iltis 06 neue Farbe
Im Bistro tanz(t)en die Puppen. Ein Marionettentheater zum Anfassen, ein Stück Theaterkultur hautnah miterleben, hinter die Kulissen blicken, Besinnliches und Kritisches hören und sich der Faszination des Puppenspiels hingeben: Über 80 Jugendliche waren 2001 zu der Aufführung des Puppenspielers Bernhard Morgenstern gekommen. Viele Jugendliche konnten zunächst mit dem Begriff „Puppenspiel“ nichts anfangen, hatten die Vorstellung von einem „Kasperletheater“ und waren der kommenden Vorstellung gegenüber recht ablehnend eingestellt. Dennoch überwog bei den Jugendlichen die Neugier auf das „bisher noch nie dagewesene“. Ergebnis: Die 80 Plätze des Bistros waren restlos belegt. Morgenstern überzeugte mit seiner Darbietung schon in den ersten Minuten, nahm Bezug auf das BBW und bezog die Zuschauer in seine Aufführung aktiv mit ein. Zunächst gaben Morgensterns Puppen witzige, leichte Texte zum Besten, später wurde das Spiel eher besinnlich und nachdenklich. Viele verschiedene Charaktere setzte er in Szene. Morgenstern verabschiedete sich mit seinen Puppen unter großem Beifall.
Im Bistro tanz(t)en die Puppen
Haarige Angelegenheiten im Bistro. Haarig ging es im Jahr 2000 im Bistro des Berufsbildungswerks zu. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jugendhauses Ravensburg kamen mit ihrem fahrbaren „Friseurmobil“, um den Jugendlichen des BBW die Haare zu schneiden oder ihnen neue Farbe zu geben. Das Bistro wurde zum Friseursalon, nicht nur, weil es so dekoriert worden war, sondern vor allem, weil so viele Jugendliche sich begeistert und vertrauensvoll in die Hände der Haarkünstler begaben. In der Küche gab es zur neuen Frisur die passende Stylingberatung, die von Mädchen aus dem Internat angeboten wurde. Nach vier Stunden waren alle, die sich angemeldet hatten, an die Reihe gekommen und etwa 35 Jugendliche stolzierten gestylt, geföhnt und in neuer Farbenpracht im Bistro umher.
Haarige Angelegenheiten im Bistro
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Großer Auftritt für die Beiköche. Der „Ball der Köche“ war für die Küchenmeister Oberschwabens das Highlight des Jahres 2003. Jedes Jahr im Spätherbst trafen sie sich, um sich von den Hochgenüssen der Kochkunst verwöhnen zu lassen. Für das warme Buffet waren das BBW Adolf Aich und das BBW Leipzig verantwortlich. Das diesjährige Thema des Köcheballs war das Nachbarland Österreich. Tischdekoration und Outfit der Köche waren passend dazu gewählt. Freundlich, mit schneeweißen Kitteln und roten Halstüchern, langen roten Schürzen und adretten hohen Kochmützen standen alle Jugendlichem mit ihren Meistern in Reih und Glied und versuchten, den Gästen die Wünsche von den Augen abzulesen. 700 waren diesmal gekommen. Darunter allein 100 Köche. Roastbeef, Rehbraten, Hirschbraten, Hasenbraten, Wachteln, Feinstes vom Lamm – alles abgestimmt mit Obst und Leckereien ließen sich die Gäste schmecken und im Anschluss folgten die Desserts.
Großer Auftritt für die Beiköche
„Wenn der Bus kommt“: So heißt ein Theaterstück der Hegenberger Theatergruppe Chamäleon, das im Jahr 1995 uraufgeführt wurde. Der Untertitel konnte deutlicher nicht sein: „Damals hätte man uns umgebracht“. Es geht um die Ermordung von Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus. Im Zentrum des Theaterstücks steht die Geschichte von Julia. Das junge Mädchen will dem Transport in den Tod entgehen und bringt eine andere dazu, an ihrer Stelle in den Bus zu steigen. Schuldgefühle und die Verachtung ihrer Mitbewohnerinnen plagen sie noch Jahre danach, bis sie von einem Bus überfahren wird. Ob Unfall oder Selbstmord, bleibt offen. Nach der Premiere in Hegenberg ging die Gruppe mit dem Stück auf Tournee. Das Publikum reagierte überall tief beeindruckt und voller Erstaunen und Bewunderung für eine Theatergruppe, die es wagt, sich etwas im Grunde Unvorstellbares wie die eigene Vernichtung gemeinsam zu erarbeiten und auf die Bühne zu bringen. Das Bild zeigt eine Schauspielerin der Theatergruppe auf der Bühne.
Wenn der Bus kommt
Hüttenzauber. Seit 2012 wurden fünftägige Hüttenfreizeiten auf der Kreuzbachtalhütte der Stiftung Liebenau organisiert. Bis zu 14 Menschen mit Behinderungen waren jedes Jahr dabei. Organisiert wurden die Freizeiten von den Offenen Hilfen Bodenseekreis und mit Unterstützung vom Förderverein St. Gallus konnten die Teilnehmer viel unternehmen. Beim Rafting auf der Iller fuhren sie in einem Schlauchboot den Wildwasserfluss hinab. Zudem standen Nachtwanderungen, Besuche auf einem Bauernhof mit Kühe-Melken, Klettern und gemeinsame Abende auf dem Programm. Erika Neff erzählt im Interview mit Jonny Jäger von den Hüttenfreizeiten. Das Bild zeigt Wanderer bei einer Hüttenfreizeit.
Hüttenfreizeit
Stiftung Liebenau feiert 75. Geburtstag. Auch im Jahr 1945, kurz nach Kriegsende, gab es ein Jubiläumsfest in Liebenau. Damals noch unter dem Namen Anstalt Liebenau, wurde das 75-jährige Bestehen gefeiert. In der Festschrift von 1945 heißt es: „Eine kurze Zeit nur in den Augen des ewigen Gottes, eine lange Zeit aber für uns kurzlebigen Menschen. Viel haben wir in diesen Jahren erlebt an Freud und Leid, die beide aus Gottes Vaterhand kamen. Dafür wollen wir ihm danken am Jubeltag der Anstalt, wollten uns alle miteinander freuen dessen, was wir in der Vergangenheit erhalten haben, und wollten mit Vertrauen hineingehen in ein weiteres Vierteljahrhundert unseres Hauses“. Das Bild zeigt die Festschrift zum 75. Geburtstag der Stiftung Liebenau.
Stiftung Liebenau feiert 75. Geburtstag
Tanzen als Therapie. Eine ganz besondere Tanzvorführung erlebte 1988 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Liebenau. In seiner Weihnachtsansprache beschreibt er, er habe bei in der Stiftung Liebenau „eine bewegende Tanztherapie eines ganz schwer Behinderten im Rollstuhl mit einer Betreuerin erlebt. Der Tanz stellte dar, wie schwierig es ist, aus der Isolierung herauszutreten. Aber es kann gelingen, wenn beide daran arbeiten. Einsamkeit verwandelte sich in Zuneigung.“ Das Bild zeigt den Tanz des Mannes im Rollstuhl mit seiner Betreuerin.
Tanzen als Therapie
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Das Kind und der Alte. Jakob Bichler, früherer Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe und Mitbegründer des Bulgarisch-Deutschen Sozialwerks erzählt: „Kitschevo bei Varna in Bulgarien. Mein letzter Internatsbesuch als Aktiver im Dienst der Stiftung Liebenau war zu Ende. Kinka, das schweigsame, schüchterne Roma-Mädchen mit den großen, dunklen Augen, streckt noch am Ausgang des Hauses seine Hand nach mir aus. Ich nehme sie, und Hand in Hand gehen wir miteinander über das Gelände. Auf unserem Weg miteinander fällt kein Wort. Zwei Wanderer, eine gute Zeit vorbei, der Abschied fällig – Bilder der biblischen Wanderung nach Emmaus kommen mir in den Sinn. An der Gartentür ein fester Händedruck von mir für das Kind und ein kindlich sanfter für mich, ein sympathischer Blick füreinander und schließlich ein beiderseitig bedächtiges „Dowischdane“, „Auf Wiedersehen“. Der Wunsch und die Hoffnung sind spürbar: Dass das Grußwort wahr wird und die gemeinsame Geschichte sich fortsetzt. Die alte Stiftung, junge Liebenauer und das einheimische Team gehen den Weg seitdem weiter, an der Seite der Kinkas, Mitkos, Alexis und wie sie alle heißen: Menschen am Rand der Gesellschaft und in einem Land am Rand von Europa. Neues Leben und Zukunft tun sich auf für die Partner. Das Stiftungslogo erzählt vom Samariter und dem Hilfebedürftigen; im Sozialwerkslogo wird das kleine b(ulgarisch) und das große D(eutsch) vom Kreuz zusammengehalten; ich lese beide Logos auch als persönliche Emmausgeschichten.“ Das Bild zeigt Kinka im Kinderhaus Kitschevo beim Suppe-Löffeln.
Das Kind und der Alte
Manege frei für den Zirkus Don Boscoli. Mit einer Galavorstellung feierte der Zirkus Don Boscoli im März 1998 sein zehnjähriges Bestehen. Benannt nach dem Namensgeber der damaligen Sonderschule (heute SBBZ) in Hegenberg, Giovanni Don Bosco, vereinte der Zirkus Kinder aus mehreren umliegenden Schulen. Zirkusdirekter Werner Slabi, im Alltag Lehrer in Hegenberg, führte durchs Jubiläumsprogramm, der Schulchor trat als „Schrottband“ mit Instrumenten Marke Eigenbau auf: Gartenschläuche mit Trichtern, Pappkartons und Schüsseln. Clowns, Tänzer mit glitzernden Masken, langen Umhängen und prächtigem Kopfschmuck, ein Balancekünstler und Jongleure und sogar ein Fakir begeisterten das Publikum am Nachmittag. Am Abend verfolgten mehr als 300 Zuschauerinnen und Zuschauer die Darbietungen des „Circus Aram Sam Sam“ aus Heggbach. Das Bild zeigt zwei Clowns vom Zirkus Don Boscoli auf der Bühne.
Manege frei für den Zirkus Don Boscoli
Wiedersehen nach 49 Jahren Im Josefshaus. Maria Pecho, wurde 1924 in Sedlitz, heute Tschechoslowakei, als jüngstes von vier Geschwistern geboren. Von Geburt an hatte sie eine geistige Behinderung, konnte nicht gut sprechen und kam deshalb mit fünf Jahren in ein Heim. 1939 überfielen die deutschen Soldaten Polen und lösten damit den Zweiten Weltkrieg aus. Nur ihr Bruder Karl überlebte. Maria wurde 1946 wie alle Deutschen aus dem Sudetenland vertrieben und kam in die Paulinenpflege in Winnenden. Karl Pecho und seine Frau forschten von ihrem Wohnort in Rheinland-Pfalz aus nach der Schwester. Annoncen über das Deutsche Rote Kreuz blieben erfolglos. Erst eine Anzeige in den Stuttgarter Medien half. Eine Kusine der Pechos las sie und erinnerte sich an Maria und daran, dass sie in ein Heim gekommen war. Auf eigene Faust stellte sie Nachforschungen an und erfuhr dabei von der Stiftung Liebenau, wo Maria Pecho seit 1955 lebte. Im Frühjahr 1992 konnten sich die Geschwister nach 49 Jahren Trennung wieder in den Arm nehmen. Das Bild zeigt die Anzeige mit der Suchmeldung in den Stuttgarter Medien.
Wiedersehen nach 49 Jahren im Josefshaus
Weihnachten im Josefshaus. Im alten Josefshaus lebten auch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, teils mit schweren Behinderungen. Letztere gingen nicht in die Schule, einen speziellen Förderbereich gab es erst später. Die Betreuungskräfte – Ordenschwestern und einige weltliche Mitarbeiterinnen – versuchten den Kindern beizubringen, sich selbst zu waschen und anzuziehen, manchmal wurde auch miteinander gesungen und Musik gehört. Spazierengehen war mangels Personal nicht möglich. Trotzdem sei man sehr eng zusammengewachsen, erinnern sich Mitarbeiterinnen an diese Zeit. Weihnachten wurde dort immer besonders schön gefeiert. Der Vater eines Kindes war Förster und schenkte der Gruppe immer einem großen Christbaum, der geschmückt und vor dem gesungen wurde. Das Bild zeigt die Kinder vor dem Weihnachtsbaum im Josefshaus.
Weihnachten im Josefshaus
Großer Auftritt des VABO-Theaters. Wie sehen junge Geflüchtete und Migranten das Grundgesetz? Das zeigten die Schüler der VABO-Klasse der Max-Gutknecht-Schule im Mai 2019 mit einem Theaterstück „70 Jahre Grundgesetz“. Das Gastspiel am Ulmer Kuhberg war das Vorprogramm zu einer Gesprächsrunde mit bekannten Ulmer Ortspolitikern und einem Vortrag von des früheren Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner über „Wert und Werte des Grundgesetzes“. Zu der Veranstaltung in der Hochschule für Gestaltung hatte die SPD Ulm eingeladen. Von einem „bewegenden Auftritt“ spricht Schulleiter Roland Groner. Das Publikum dankte mit gebührendem Applaus. Das Bild zeigt die VABO-Klasse der Ulmer Max-Gutknecht-Schule im Foyer der Hochschule für Gestaltung, zusammen mit dem VABO-Lehrerteam.
Großer Auftritt des VABO-Theaters
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Urlaub in den Bergen. Hoch hinaus wagten sich 2003 fünf Bewohner und drei Mitarbeiter einer sozialtherapeutischen Wohngruppe. Im September verbrachten sie fünf Tage in Oberstdorf im AIIgäu. Teilnehmer waren Menschen mit Schädel·Hirn·Verletzungen. Besondere Merkmale eines Schädel-Hirn-Traumas können neben Orientierungs- und Gedächtnisstörungen auch Einbußen in der Aufmerksamkeit und den kognitiven Fähigkeiten sein. Wesensveränderungen und Verhaltensbesonderheiten kennzeichnen die betroffenen Menschen, die zum Teil noch gute Erinnerungen an die Zeit vor ihrer Verletzung haben. Mit der Urlaubsreise wollten die Betreuer – auch auf Wunsch der Eltern – an solche Erinnerungen anknüpfen. Bergwanderungen, zum Teil auch Klettertouren hatten für einige Bewohner früher zum Leben gehört. Untergebracht war die Gruppe in einem pflegegerecht ausgestatteten Hotel, bei Bilderbuchwetter und traumhafter Fernsicht wurden die Ausflüge zu großartigen Erlebnissen. Das Bild zeigt zwei Bewohner und zwei Mitarbeiter der Gruppe bei einem Ausflug.
Urlaub in den Bergen
Opfer tödlicher Wissenschaft. Mit 13 Jahren kommt ein 1899 geborener Junge aus Weingarten nach Liebenau. Diagnose ist eine geistige Behinderung. Seine Eltern sind nicht mehr am Leben, er hat zwei Schwestern. 1921 wird er in eine andere Einrichtung verlegt, wo er in der Landwirtschaft arbeitet. Dort beschuldigt man ihn der Brandstiftung; er kommt deshalb 1936 erneut nach Liebenau. Seine Geschichte weckt das Interesse von Dr. Ernst Rüdin vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Psychiatrie in München. Dieser verlangt, dass ihm im Todesfall Gehirn und Rückenmark des Patienten überlassen werden. Ob der Forderung später entsprochen wird, ist nicht überliefert. Rüdins Veröffentlichungen sind Grundlage für die NS-Zwangssterilisation; er ist ein Vorreiter der „Rassenhygiene“, mit der wenige Jahre später das „Euthanasie“-Mordprogramm legitimiert wird. Der inzwischen 41-jährige Bewohner wird am 1. Juli 1940 von Liebenau in die Anstalt Schussenried gebracht. Am 22. Juli wird er weiter nach Grafeneck deportiert und dort ermordet.
Opfer tödlicher Wissenschaft
Eine Tasse geht auf Reisen. Die Stiftung Liebenau ist ja weit verbreitet – aber einen eigenen Strand? Das hat sie denn doch noch nicht. Doch ihre Kaffeetassen sind beliebt. So beliebt, dass sie sogar im Rucksack mitkommen dürfen auf die Urlaubsreise. Denn auch am Strand von Tobago schmeckt der Kaffee à la Liebenau besonders gut! Meint zumindest Sonja Fischer, Empfangschefin in Liebenau und Weltenbummlerin. Das Bild zeigt die Kaffetasse mit dem Liebenau-Logo am Strand.
Eine Tasse geht auf Reisen
Post aus Polen. Eine besondere Brieffreundschaft führte Erika Haaß, Mitarbeiterin in Rosenharz. Sie hatte 1981 in der Poststelle einen Brief aus Polen geöffnet. Einer der ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs in Liebenau beschäftigt waren, wandte sich darin an seine ehemaligen Vorgesetzten mit der Bitte um Unterstützung in Form von Lebensmitteln und Süßigkeiten. Zusätzlich zu der Spendenaktion, die der damalige Stiftungsdirektor Monsignore Norbert Huber ins Leben rief, wollte Erika Haaß direkt helfen. Sie schickte ein Päckchen und stellte eine „Polen-Kasse“ an der Pforte auf. Der Dank kam prompt und herzlich, und aus dem ersten Briefwechsel wurde eine jahrelange Brieffreundschaft, die bis 1990 andauerte. Einen dicken Aktenordner füllen die Briefe und Postkarten. Hauptsächlich berichtete ihr Briefpartner über seine Familie, die ihren Ursprung in Bodnegg hatte: ln der Rosenharzer Kirche waren die beiden schließlich getraut worden. Das Bild zeigt die gesammelten Briefe und Postkarten aus Polen.
Post aus Polen
Frau Kern – Streitbare Autorität. Eine streitbare Autorität – das war Frau Kern, die 66 Jahre ihres Lebens in der Stiftung Liebenau verbracht hat. Fast jeder kannte sie. Viele, meist ältere Bewohnerinnen und Bewohner lehnten sie massiv ab. Das lag an einem Ereignis vor langer Zeit, in einem der Kriegsjahre. Immer wieder kamen diese „schwarzen Wagen“ und holten Männer und Frauen ab. Dass die schwarzen Wagen nichts Gutes bedeuteten, wussten alle. Auch Frau Kern. Als sie abgeholt werden sollte, versteckte sie sich im Wald und kehrte erst zurück, als die Gefahr vorüber war. Sie ahnte nicht, was in der Zwischenzeit passiert war: An ihrer Stelle musste eine andere Frau in den schwarzen Wagen einsteigen. Dass Frau Kern ihre Haut gerettet hatte, dafür aber eine andere sterben musste, haben ihr viele Bewohner nie vergeben. In den Augen der anderen war sie „schuldig“ geworden. Dieses Schuldgefühl hat sie ein Leben lang nicht mehr los gelassen. Frau Kern lebte von da an mit der Angst vor dem Sterben, weil sie fürchtete, vom „höchsten Gericht“ bestraft zu werden. Diese Angst ließ sie nicht mehr zur Ruhe kommen. Am 25. April 1992 ist Frau Kern verstorben. Ihr Grab auf dem Liebenauer Friedhof schmückt ein schlichter Stein. Das Bild zeigt ein Porträt von Frau Kern.
Frau Kern – Streitbare Autorität
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Ost-West-Austausch. Nach 1989 entwickelten sich viele Kontakte zu den neuen Bundesländern, und es kam auch zu einem persönlichen Austausch der Fachleute in Ost und West. 1996 besuchten vier Krankenschwestern aus dem Landeskrankenhaus Uchtspringe in Sachsen-Anhalt die Stiftung Liebenau, um sich einen Eindruck vom Leben und Arbeiten in Wohngruppen für Menschen mit Behinderungen zu verschaffen. Im Abschlussgespräch reflektierten sie positive Erfahrungen ebenso wie kritische Beobachtungen. In Sachsen-Anhalt wurde damals daran gearbeitet, die Belegung der Landeskrankenhäuser zu entflechten, um Menschen mit geistigen Behinderungen und Menschen mit psychischen Krankheiten getrennte Lebensräume zu bieten. Bild zeigt die Besucherinnen mit Heimleiterin Irmgard Sailer.
Ost-West-Austausch
Mit dem Fahrrad über die Alpen. Von einer ungewöhnlichen Reise berichtete Heribert Danner, Beschäftigter in der Liebenauer Bäckerei. Mit dem Fahrrad war der 42-Jährige von Tettnang aus über die Alpen in den französischen Wallfahrtsort La Salette gefahren. Hin und zurück 1720 Kilometer. Und das schon zum siebten Mal! Rund 30 Kilogramm Gepäck waren in Lenker- und Satteltaschen verstaut, neben Kleidung und Werkzeug auch der Schlafsack für Übernachtungen im Freien. Nur wenige Nächte verbrachte Danner unter dem festen Dach einer Hütte oder Jugendherberge. Häufig nächtigte er auf Sport- oder Picknickplätzen. Insgesamt 2600 Mark hat seine fünfwöchige Reise gekostet. Das Bild zeigt Heribert Danner neben seinem Fahrrad in den Alpen.
Mit dem Fahrrad über die Alpen
Schulbesuch stiftet Familienglück. Max heißt der kleine Sohn von Vater Muhi Ghazi und Mutter Diana Alhasan. Dass er den Vornamen des früheren Stiftungsvorstands Max Gutknecht trägt, ist kein Zufall. Die Eltern haben sich in der zur Stiftung Liebenau gehörenden Max-Gutknecht-Schule in Ulm kennen und lieben gelernt, inzwischen sind sie verheiratet. Sie sind 2016 aus dem Irak nach Deutschland gekommen und haben von 2016 bis 2018 an der Max-Gutknecht-Schule eine VABO-Klasse besucht, eine Vorqualifizierungsmaßnahme für Arbeit und Beruf, in welcher der Schwerpunkt auf dem Erwerb von Deutschkenntnissen liegt. In Erinnerung an den glücksstiftenden Schulbesuch haben sie ihrem Sohn den Namen Max gegeben. Das Bild zeigt die Familie mit Sohn Max.
Schulbesuch stiftet Familienglück
Handarbeit made in Liebenau. Ein Dienstagvormittag im Jahr 2003: Schnell dreht sich die Töpferscheibe im Liebenauer Landleben vor Michael Wright. Unter den geschickten Händen des Töpfers entsteht ein Terrakottatopf, genannt Long Tom. Zweimal wöchentlich können die Kunden im Laden miterleben, wie er entsteht. Die klassische alte Rosentopfform hatten Wolfgang Bausch, Leiter des Liebenauer Landlebens, und Michael Wright, Töpfer in Hegenberg, wieder neu entdeckt und weiter entwickelt. Die Nachfrage war enorm. Nach Berichten in verschiedenen Gartenzeitschriften gingen Bestellungen aus ganz Deutschland ein. Eine Bestätigung für den Töpfer, vor allem aber für die Menschen mit Behinderungen, die mit ihm die Töpfe produzieren. Für die war die Arbeit im Laden ein wichtiger Außenkontakt, und sie erlebten, dass ihre Arbeit und ihr Produkt geschätzt wurde. Das Bild zeigt den Töpfer und seine Mitarbeiter mit den individuell verzierten Long Toms.
Long Tom – Handarbeit made in Liebenau
Damals im Josefshaus. Das alte Josefshaus in Liebenau, einst Wohnheim für bis zu 300 Menschen, steht schon lange nicht mehr. Die Erinnerungen an vergangene Tage dort haben überdauert. Zum Beispiel daran, dass abends gelegentlich der damalige Direktor Max Gutknecht ins Josefshaus kam, um mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Wanderlieder zu singen. In den großen Schlafsälen stand anfangs Bett an Bett, es war kaum Platz für persönliche Habe. Bäder gab es nur im Keller, da ging man dann geschlossen hinunter, Frauen und Männer streng getrennt. Die Ordensschwestern waren mit wenigen Mitarbeitern für Gruppen mit zum Teil über 40 Personen zuständig – nicht etwa im Schichtdienst, sondern Tag und Nacht. Ende der 1960er Jahre änderte sich vieles. Die Gruppen öffneten sich nach außen, immer mehr ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden eingesetzt. Ab 1980 zogen viele Bewohner nach Hegenberg, die Gruppen wurden verkleinert, die Räume gemütlicher gestaltet und auch die sanitären Anlagen verbessert. Das Bild zeigt das neue Wohnheim in Hegenberg.
Damals im Josefshaus
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Jordanka malt, seit sie vor zehn Jahren ins Kinderzentrum des Bulgarisch-Deutschen Sozialwerks in Kitschevo gekommen ist. Sie malt mit Öl-, Acryl- und Wasserfarben oder zeichnet mit dem Bleistift. „Wenn ich male, schaffe ich Neues und das macht mir große Freude“, sagt sie. „Außerdem fühle ich mich beim Malen der Natur und den Menschen nahe.“ Schon mehrmals hat sie Preise bei Wettbewerben in verschiedenen bulgarischen Städten gewonnen und eine erste Ausstellung in Varna organisiert. Jordanka wurde im Kinderzentrum aufgenommen, weil ihr Vater die Familie verlassen hatte und ihre arbeitslose Mutter sich nicht mehr um alle vier Kinder kümmern konnte. Nun möchte Jordanka ihre Familie unterstützen und weiß, dass das nur mit einer Ausbildung und einem Beruf möglich ist. Sie träumt davon, Designerin mit einem eigenen kleinen Modegeschäft zu werden. Das Bild zeigt ein Selbstportrait von Jordanka.
Jordanka malt
Immer hoch zu Ross. Von 1933 bis 1996 war Georg Biegger als Pferdewirt in der Stiftung Liebenau verantwortlich für ein Gespann mit zwei Pferden. Zu tun gab es genug: Kies, Gülle, Viehfutter war zu fahren und manchmal auch Baumaterial. Wenn Kohlen nach Rosenharz geliefert werden mussten, war er mit seinen Pferden einen ganzen Tag unterwegs, von Liebenau über Ravensburg nach Rosenharz, und manchmal auch im Schnee. Die Arbeitszeit betrug gut zwölf Stunden täglich, auch Samstag und Sonntag, bei einem Lohn von 32 Mark im Monat. Dafür waren Waschen, Flicken und Schuhreperaturen für alle Stiftungsmitarbeiter kostenlos und wer wollte, konnte sich von einem Pfleger im Josefshaus die Haare schneiden lassen. 1936 übernahm Georg Biegger als Melker den Viehstall. Nach einer Erkrankung fuhr er aber wieder sein Gespann, übernahm Fuhren aus dem Wald, transportierte Kartoffeln und vieles mehr. Und bis zu seinem 80. Geburtstag ist er selbstverständlich auch beim Blutritt mit dabei gewesen. Das Bild zeigt Georg Biegger auf dem Kutschbock des Pferdegespanns.
Immer hoch zu Ross
Gräfin Walderdorff. 1992 wurde Gräfin Mechtild von Walderdorff in den Aufsichtsrat der Stiftung Liebenau berufen – als zweite Frau neben der Sießener Franziskanerin Sr. M. Erna. Die sozial engagierte Sozialpolitikerin setzte sich vor allem für die Probleme von Frauen und Kindern in der Region ein, zum Beispiel als stellvertretende Kreis- und Bezirksvorsitzende für die CDU-Frauen und die CDU und als Gründerin des Frauen- und Kinder-Schutzhauses in Ravensburg. An der Stiftung Liebenau fand sie gut, „dass die Stiftung ihre Bedeutung und Größe für ihre Klientel in die Waagschale wirft.“ Das Bild zeigt die Gräfin Mechthild von Walderdorff.
Gräfin Mechtild von Walderdorff wird Aufsichtsrätin
Torte in 5 Stockerken. Wer hat sich nicht schon einmal als Kind eine riesige Geburtstagstorte gewünscht? Daran musste wohl die Geschäftsführung eines Modehauses in Friedrichshafen gedacht haben, als sie 1992 zu ihrem einjährigen Bestehen eine fünfstöckige Geburtstagstorte backen ließ. Tagelang konnte diese riesige Marzipantorte im Schaufenster bestaunt werden, anschließend sollte sie als Geschenk ins Alten- und Pflegeheim St. Antonius gehen. Doch vor dem Genuss stand einige Mühe: Vier starke Männer und ein LKW waren nötig, um die Torte zur Kaffeetafel zu befördern. Das Bild zeigt die Männer beim Verladen der Riesentorte.
Torte aus fünf Stockwerken
Liebenau – ein Familienbetrieb. Josef Wilhelm war Direktor der Stiftung Liebenau von 1910 bis 1953. Ein ehemaliger Mitarbeiter erinnert sich an ihn. Der alte Direktor habe täglich seinen Rundgang gemacht, den Prozessionsweg hinauf nach Meckenbeuren, oder er sei nach Hegenberg gelaufen. Für ein Schwätzle sei da immer Zeit gewesen. „I seh' ihn heut' no vor mir, wie er mit Sandalen an den breiten Füßen losgestapft ist.“ Damals sei die Heil- und Pflegeanstalt ein „Familienbetrieb“ gewesen, mit den Schwestern und dem Direktor Wilhelm. „Der hot no Zeit für seine Leut g‘het, die Vorständ‘ hend mit ihr‘m Zeig so viel Arbeit, dass se koi Zeit mehr hend für d' Leut“. Das Bild zeigt Direktor Josef Wilhelm mit Mitarbeitern und Bewohnern der Stiftung Liebenau.
Liebenau - ein Familienbetrieb
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Als Waise in Liebenau interniert. Liebenau war von 1941 bis 1945 teilweise Interniertenlager für Frauen und Kinder unterschiedlicher Nationalitäten. Tom Rosenberg verbrachte hier als Fünfjähriger einen Teil seine Kindheit. Im Jahr 2002 besuchte er mit seiner Ehefrau die Stiftung Liebenau, um Erinnerungen aufzuarbeiten. An die Zeit in Liebenau hat Tom Rosenberg überwiegend schlechte Erinnerungen. Es waren wenige Kinder im Lager, die von internierten Lehrkräften unterrichtet wurden. Einmal im Monat durften die Kinder wandern gehen, immer unter Aufsicht der Wehrmacht. Sonntags, wenn die Liebenauer in die Kirche gingen, durften die Kinder nicht ins Freie, weil sie nicht mit anderen sprechen durften. Dafür spielten sie dann in den unterirdischen Gängen zwischen den einzelnen Häusern. Tom Rosenberg bekam Typhus, durfte tagelang das Bett nicht verlassen. Mit den Bewohnern der der Heil- und Pflegeanstalt hatte Rosenberg wenig Kontakt und eher Angst vor ihrem Verhalten. 1945 wurden die Brüder Rosenberg nach Holland gebracht, wo sie bei ihrer alten Kinderfrau ein sicheres Zuhause fanden. Das Bild zeigt Tom Rosenberg mit seiner Frau und dem früheren Archivar Hermann Link in Liebenau.
Erinnerungen ans Interniertenlager
Der Dichterling aus Rosenharz. Wilhelm Karl Klingenstein war infolge einer frühkindlichen Kinderlähmung körperlich schwer behindert und konnte nur mit Mühe sprechen. Aber sein Geist war wach und brachte Gedanken in Gedichtform zu Papier. Mit 14 Jahren kam er in das neu erbaute Landerziehungsheim St. Gertrudis. Dort lernte er das Buchbinden und den Gebrauch der Schreibmaschine. 1940 fand Wilhelm Klingenstein Aufnahme bei einer Bäckersfamilie in Ravensburg. Damit war er vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten sicher. 1940 sammelte der damals 25-Jährige seine in Rosenharz entstandenen Gedichte in einem ersten Gedichtband. Bis er 32-jährig starb, brachte er in insgesamt sechs Gedichtbändchen und einer Verserzählung auf 579 Seiten seine Verse zu Papier. In einem „Aufruf an unser Selbst“ schreibt er: „Hab immer Selbstvertrauen. Mag dich die Welt verachten. Sie wird einst staunend schauen dein Schaffen und Trachten.“ Das Bild zeigt den Rosenharzer Dichter Wilhelm Klingenstein.
Der Dichterling aus Rosenharz
Die Blutreitergruppe Liebenau. Die Geschichte der Blutreitergruppe Liebenau reicht weit zurück: Schon im 17. Jahrhundert haben Bewohner des Ortes am Blutritt in Weingarten teilgenommen. Ende des 19. Jahrhunderts gründete der Knecht Josef Zey die Reitergruppe „Galluspflege Liebenau“. Während des ersten Weltkrieges schmolz das Reiterfähnlein auf zwei Reiter zusammen, ritt aber weiterhin jedes Jahr mit der Heilig-Blut-Prozession. In den 1930er Jahren verstärkten Reiter aus Hegenberg und Rosenharz die Gruppe. Im zweiten Weltkrieg gab es keinen Blutritt. Neuen Aufschwung erlebten die Liebenauer Blutreiter in den 1950er Jahren: Der damalige Direktor Max Gutknecht war Pferdeliebhaber und selbst begeisterter Blutreiter. Im Zuge der allgemeinen Motorisierung gab es immer weniger Pferde, beim 75. Jubiläumsritt 1983, unter dem Gruppenführer Georg Biegger, brauchten die Reiter Verstärkung von außerhalb. 1996 übernahm Bieggers Schwiegersohn Karl Kurz die Gruppe und führt die Tradition seither mit elf Reitern und vier Ministranten fort. Das Bild zeigt die Blutreitergruppe Liebenau.
Die Blutreitergruppe Liebenau
Ein besonderes Bewerbungsgespräch Dietmar Ehrle, Leiter der IT-Abteilung in der Liebenau Beratungs- und Unternehmensdienste, erinnert sich an seinen ersten Tag in Liebenau: 30. April 2001, Tag meines Bewerbungsgesprächs bei der Stiftung Liebenau. Vor dem Gespräch habe ich noch Zeit, um auf dem Gelände spazieren zu gehen. Beim Schloss kommt mir eine blonde junge Frau entgegen, winkt und ruft „Hallo! Hallo! Kannst du mich zu meiner Gruppe bringen?“ Ich: „Äh, ich weiß nicht, wo Ihre Gruppe ist“. „Ich zeig‘s dir“, sagt sie und hakt sich einfach bei mir ein. So machen wir uns gemeinsam auf den Weg, und ich bemühe mich um etwas Smalltalk – schließlich will man ja einen guten Eindruck hinterlassen. Aber so richtig viel fällt mir dazu nicht ein. Ob wir eventuell beobachtet werden und das Ganze vielleicht Teil eines ausgeklügelten Bewerbungsprozesses ist? Diesen Gedanken verwerfe ich gleich wieder. Nach einer Gesprächspause fragt sie mich dann, gewissermaßen ganz unbefangen zum Punkt kommend: „Gell, Selbstbefriedigung ist was ganz Natürliches?“ Uups! Vielleicht doch ein Test, schießt es mir durch den Kopf? Was um Gottes willen sagt man da in einer kirchlichen Stiftung, um sowohl psychologisch als auch politisch korrekt zu sein? Das sind so die Situationen, in denen man sich auch als IT-ler eine pädagogische Zusatzqualifikation wünscht. Das Bild zeigt Dietmar Ehrle
Ein besonderes Bewerbungsgespräch
Er sorgte für das tägliche Brot Einige tausend Menschen in Liebenau und Umgebung verdanken ihm ihr tägliches Brot, ihren Geburtstagskuchen, das sonntägliche Zopfbrot, Osterlämmer und Weihnachtsbredle: Bäckermeister Ludwig Elbs leitete 26 Jahre die Liebenauer Bäckerei mit mehreren Gesellen, Beschäftigten aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und Azubis. In Spitzenzeiten wurden hier täglich rund 130 Kilogramm Mehl zu Brot verarbeitet, 1500 Wecken gebacken und durchschnittlich zehn Kuchen und drei Torten hergestellt. Viele Preise und Auszeichnungen, die er im Lauf der Jahre von der Bäckerinnung für seine Brote bekommen hatte, zeugten von der hohen Qualität. 2005 verabschiedete sich Ludwig Elbs in den Ruhestand. Wenige Jahre später musste die Bäckerei in Liebenau nach einem Brand schließen. Das Bild zeigt Bäckermeister Ludwig Elbs vor seinem Backofen.
Er sorgte fürs tägliche Brot
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Auf dem Bänkle. Ein beliebter Treffpunkt für Liebenauer war das „Rundumbänkle“ unter der Kastanie, zwischen St. Lukas-Klinik und Schloss. Die Sitzplätze zur Straßenseite waren an warmen Tagen dicht besetzt, denn da war die Aussicht interessant und abwechslungsreich. Die einen genossen es schweigend, die anderen unterhielten sich lautstark mit Vorübergehenden. Neue Mitarbeiter wurden wahrgenommen, und einmal nach dem Namen gefragt, wurde jeder künftig namentlich gegrüßt. Die Rundumbank hatte ein besonderes Flair. Und wenn die kühleren Tage kamen und die Bank verwaist im Regen stand, fiel auf, wie wichtig sie geworden war, ein Ort zum Knüpfen von Kontakten, die man nicht hätte missen mögen. Das Bild zeigt Personen auf dem Bänkle unter der Kastanie.
Auf dem Bänkle
Agnes R., geboren Mitte der 1930er Jahre, war Küchenmädchen in Rosenharz. Ihre Geschichte ist typisch für die vieler Töchter aus armen Familien auf dem Land. 21 Jahre lebte sie im Haus St. Walburga, arbeitete 25 Jahre in der Küche. Die Arbeit war zwar manchmal hart, aber es fiel immer mal etwas Gutes zu essen ab oder eine Tasse Kaffee. Mit den Kolleginnen wurde gespaßt und gesungen. Nachdem die Küche in Rosenharz 1975 aufgelöst wurde, arbeitete Agnes R. als Springerin, mal in der Waschküche, mal in der Werkstatt, mal als Stationshilfe. Ihr Kommentar: „Ich mache halt das, was ich muss, und singe dazu. Ich nehme alles gelassen, wie es kommt. Das Leben ist halt so und außerdem muss man schon zufrieden sein, wenn man das Elend in der Welt so anschaut.“ Erst in den 70er Jahren erfuhr sie, dass sie noch Geschwister hatte, und bekam auch die Adresse ihrer Mutter. Wegziehen aus Rosenharz wollte sie aber nicht mehr. Erst als sie Rentnerin wurde, zog sie nach Ravensburg in eine eigene Wohnung. Das Bild zeigt vier Küchenmädchen in Rosenharz.
Küchenmädchen in Rosenharz
Alles nur Theater? „Das Leben ist ein einziges Theater, und wir sind die besten Schauspieler.“ Dieser Satz, ausgesprochen von einer jungen Rosenharzer Bewohnerin, war 1995 die Initialzündung für die Theatergruppe „Die Sumpfnasen“. Die „Sumpfnasen“ trafen sich fortan zu wöchentlichen Proben, die allen viel Toleranz, Geduld, Verständnis, Entgegenkommen und Auseinandersetzungen abverlangten. Die spielfreudigen Frauen und Männer hatten sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten. Manche konnten nicht hören, einige nicht oder sehr wenig sprechen, dafür sprach eine andere Bewohnerin ohne Punkt und Komma. Am Heiligabend 1995 war dann Premiere: In der Kirche in Rosenharz wurde die Weihnachtsgeschichte aufgeführt. Ein gemeinsamer Erfolg, der die Gruppe zusammenschweißte. Fortan gab es jährlich ein neues Stück, manchmal sogar aus eigener Feder. Das Bild zeigt die Theatergruppe „Die Sumpfnasen“ bei einem Auftritt.
Alles nur Theater?
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Eigene Geschichte erzählen

1870 bis 2020

150 Jahre Stiftung Liebenau | 150 Jahre In unserer Mitte – Der Mensch

1842 - 1869

Die Vision

Die Vorgeschichte der Stiftung Liebenau beginnt bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Im oberschwäbischen Tettnang gründet der junge Geistliche Adolf Aich mit einer Gruppe Gleichgesinnter einen Verein, der als Träger einer so genannten Pfleg- und Bewahranstalt für chronisch Kranke dienen soll. Zur Finanzierung des Vorhabens und um die Unabhängigkeit des eigenen Handelns sichern zu können, werden umfangreiche Sammlungen getätigt.

1842, Adolf Aichs Vision. Am 25. September 1824 wird Wilhelm Adolf Aich in Rottenburg am Neckar geboren. Er verliert beide Eltern und kommt bei Verwandten in Ehingen unter, wo er auch das Gymnasium besucht. Als 17-Jähriger hat er ein Erlebnis religiöser Art, das seinen Blick fortan stärker auf die Not der Menschen lenkt. Er selbst schreibt später: „Am 19. August 1842 ist von einer eigenartigen Eiche eine kleine Frucht in einen guten Boden eingesenkt worden. Sehr langsam aber sicher entwickelte sich diese Frucht.“ Er habe „eine besondere Fügung Gottes erhalten“. Das Bild zeigt ein Porträt des jungen Adolf Aich.
1842
Adolf Aichs Vision
1854 – 1859, Lehrer und Seelsorger. Adolf Aich ist seit 1854 als Lehrer im Schweizer Kanton St. Gallen tätig. Die Zeit nutzt er auch für Reisen in der Schweiz, nach Deutschland und Frankreich, sein Interesse gilt dabei den privaten und staatlichen Krankenhäusern. Nachdem er krankheitsbedingt aus dem Schuldienst ausscheidet, wird Adolf Aich 1859 in Tettnang Kaplan und betreut als Seelsorger das städtische Spital zu St. Johann. Was er hier und auch auf seinen vielen Reisen erlebt, führt dazu, dass er die Krankenfürsorge als eine wichtige Aufgabe in der Seelsorge betrachtet. Das Bild zeigt ein Gemälde von St. Johannes in Tettnang.
1854 bis 1859
Lehrer und Seelsorger
1866, Gründung des St. Johann-Vereins. 1866 nimmt Adolf Aichs Vorsatz, eine soziale Einrichtung aufzubauen, konkrete Gestalt an. Mit zwölf Tettnanger Bürgern gründet er am 19. März 1866 den St. Johann-Verein, der die Rolle eines Sammel- und Trägervereins übernimmt. Die Vereinsmitglieder fassen den Beschluss, eine „Pfleg- und Bewahranstalt“ aufzubauen, die Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten eine Zuflucht bieten soll. Ein Anwesen wird für 7.000 Gulden erworben, drei Barmherzige Schwestern aus dem nahegelegenen Kloster Reute werden eingestellt und die ersten vier Bewohner aufgenommen. Das Bild zeigt das Gründungsgemälde Ölgemälde „Urzelle“ von Kathrin Landa aus dem Jahr 2015.
1866
Gründung des St. Johann-Vereins
1867, Aichs Reisen. Um den Verein mit einer finanziellen Grundlage auszustatten, beginnt Adolf Aich eine große, mehrere Jahre währende Sammeltätigkeit. Ein Finanzierungsangebot der württembergischen Königin Olga lehnt Aich ab, da es die die Eingliederung in die staatliche Wohlfahrt bedeuten würde, die Einrichtung aber unabhängig bleiben soll. Sowohl Kritiker als auch Bewunderer seiner Sammeltätigkeit geben ihm originelle Namen, wie „Erzbettler“, „Bettelvogel“ oder „Abgraser“. Innerhalb von nur fünf Jahren trägt Aich mit Unterstützung des Vereins die stattliche Summe von fast 35.000 Gulden zusammen. Das Bild zeigt einen Brief zur Almosensammlung zur Gründung einer Pflegeanstalt, 1868.
1867
Aichs Reisen
1870 - 1877

Die Gründungsphase

Nach gründlicher Vorarbeit gelingt es dem St. Johann-Verein, eine eigene Pflegeanstalt zu gründen. Der Neubau eines Hauses in Tettnang scheitert allerdings. Auf der Suche nach einem neuen Standort erwirbt Adolf Aich das nahegelegene Schloss Liebenau. Mit vier zu betreuenden Menschen und drei Barmherzigen Schwestern aus dem Kloster Reute öffnet die „Pfleg- und Bewahranstalt für Unheilbare in Liebenau“ ihre Pforten.

Um den Anforderungen und der steigenden Zahl an Bewohnerinnen und Bewohnern gerecht zu werden, sind weitreichende Umbaumaßnahmen notwendig.

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1870, Beginn der Arbeit. Ursprünglich soll in Tettnang ein Neubau errichtet werden, doch das Bauvorhaben scheitert. Adolf Aich sucht nach Alternativen und wird auf das in der Nähe gelegene leer stehende Schloss Liebenau aufmerksam. 1870 wird das Schloss gekauft, und noch im selben Jahr zieht das Personal ein. Vier Personen werden betreut – Menschen, denen Aich auf seinen Reisen begegnet ist. Von Anfang an wird auch Landwirtschaft betrieben. Die offizielle Eröffnung der Pflegeanstalt am 15. Oktober 1870 findet Beachtung in ganz Württemberg. Das Bild zeigt das Schloss Liebenau um 1880.
1870
Beginn der Arbeit in der „Pfleg- und Bewahranstalt für Unheilbare in Liebenau“
1873, Die rechtliche Gründung. 1873 verfasst die „Pfleg- und Bewahr-Anstalt für Unheilbare in Liebenau“ ihre Statuten. Die Eigenständigkeit Liebenaus wird nochmals betont: „Der Charakter der Anstalt soll der einer Privatanstalt sein, hervorgegangen aus christlicher Liebe, bestehend durch die freithätige christliche Liebe; ruhend auf katholisch kirchlicher Grundlage.“ Die Pflegeanstalt bekommt vom württembergischen Innenministerium das Recht der juristischen Persönlichkeit verliehen. Adolf Aich hofft, dadurch das Ansehen der Einrichtung zu steigern und noch mehr Spenden zu erhalten. Das Bild zeigt die Bekanntmachung des Ministeriums des Inneren von 1874.
1873
Die rechtliche Gründung
1874, Die barmherzigen Schwestern von Reute. Ein für die weitere Geschichte der Stiftung bedeutender Beschluss wird 1874 gefasst: Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern des oberschwäbischen Klosters Reute bei Waldsee soll generell die Pflege und damit verbundene Verwaltungsaufgaben übernehmen. Die Barmherzigen Schwestern von Reute wirkten zwar schon von Anfang an in der Pflegeanstalt, aber erst jetzt wird dies auch vertraglich festgelegt. Das Bild zeigt ein Gemälde mit zwei Barmherzigen Schwestern und zwei Pfleglingen bei der Feldarbeit.
1874
Die Barmherzigen Schwestern von Reute
1874, Jährlicher Rechenschaftsbericht. Der erste Rechenschaftsbericht der „Pfleg- und Bewahranstalt für Unheilbare in Liebenau“ erscheint. In den von diesem Zeitpunkt an regelmäßig erscheinenden Berichten wird einleitend auch immer den Spendern und Wohltätern gedankt, die den Betrieb der Pflegeanstalt möglich machen. Die Berichte geben einen guten Einblick in das Tagesgeschäft. Das Bild zeigt den ersten Rechenschaftsbericht von 1874.
1874
Jährlicher Rechenschaftsbericht
1876, Umbau und Erweiterung des Schlosses. Schon bald nach Bezug des Schlosses wird deutlich, dass die Räumlichkeiten nicht ideal sind. Vor allem herrscht Platzmangel. Um der großen Nachfrage entgegenzukommen, wird 1876 mit Umbaumaßnahmen begonnen: Der nördliche Teil des Schlosses wird erweitert, breite Flure und neue Räume entstehen. Der Platz reicht nun für etwa 60 Pfleglinge. Die Nordfassade erhält ihre bis heute bestehende Erscheinung. Das Bild zeigt das Schloss Liebenau nach dem Umbau 1876.
1876
Umbau und Erweiterung des Schlosses
1877, Erster Bericht über den Personalstand. Nach dem ersten Bericht konnten in den ersten sieben Jahren im Schloss Liebenau insgesamt 63 Personen untergebracht werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind zwischen 6 und 76 Jahre alt, katholisch und in der Regel ledig oder verwitwet. Neben Blinden, Gelähmten, Epileptikern und Krebskranken leiden die meisten an verschiedenen Formen von geistiger Behinderung. Das Einzugsgebiet reicht bereits weit über Oberschwaben hinaus. Vergleichbare Pflegeanstalten im Norden Württembergs sind damals von der evangelischen Diakonie getragen, sodass katholische Menschen mit Behinderungen den Weg bis nach Liebenau auf sich nehmen. Das Bild zeigt eine Seite des Berichts über den Personalstand der Kranken in Liebenau.
1877
Erster Bericht über den Personalstand
1878 - 1913

Etablierung

Die von Beginn an auch stark wirtschaftliche Ausrichtung der Pfleganstalt ruft immer wieder Kritiker auf den Plan. Der neue Bischof der Diözese Rottenburg hält den Gründer und bisherigen Vorstand Adolf Aich für ungeeignet, um die Geschäfte der Pflegeanstalt zu führen, und versetzt ihn in eine neue Pfarrei.

Der Kaufmann Caspar Bueble übernimmt das Amt des Vorstands. Unter seiner Leitung finden zahlreiche Bauarbeiten in Liebenau statt: Neben Anbauten werden neue Gebäude errichtet, die landwirtschaftliche Nutzfläche vergrößert und elektrisches Licht eingeführt.

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1878, Ablösung Adolf Aichs durch Caspar Büble. Bischof Karl Joseph von Hefele versetzt Adolf Aich 1878 in die Pfarrei in Wilhelmskirch. Der Verwaltungsrat der Pflegeanstalt ernennt darauf Caspar Bueble, bisheriger Kassier des St. Johann-Vereins, zum Vorstand. Als Laie kann er gemäß der Vereinssatzung das Amt nur provisorisch bekleiden, da kein geeigneter Nachfolger gefunden wird, bleibt er allerdings bis 1889 in dieser Position und springt bis zu seinem Tod im Jahr 1918 immer wieder zeitweise als Vorstand ein. Sein ökonomisches Geschick kommt Liebenau sehr zugute, die Pflegeanstalt wird auf ein sicheres finanzielles Fundament gestellt. Das Bild zeigt ein gemaltes Porträt des Caspar Bueble um circa 1899.
1878
Ablösung Adolf Aichs durch Caspar Bueble
1892, Renovierung der Theresienkapelle. Von der ursprünglichen Ausstattung der im Jahr 1624 erbauten Schlosskapelle sind 1892 nur noch die geschnitzten Chorstühle, die Orgelempore sowie das Renaissance-Portal erhalten. Angesehene Künstler statten die Kapelle nun mit einer Reihe neuer Kunstwerke aus. Der Rottenburger Diözesan-Kunstverein beschreibt die renovierte Kapelle als ein „Kunstjuwel unserer Diözese“. Das Bild zeigt die neu gestaltete Theresienkapelle.
1892
Renovierung der Theresienkapelle
1895, Einweihung des St. Josefshaus und 25-jähriges Jubiläum. Der Andrang auf die Einrichtungen in Liebenau ist auch nach 25 Jahren ungebrochen. Um die überfüllten Gebäude zu entlasten, wird 1895 das St. Josefshaus eingeweiht. Gleichzeitig mit der Eröffnung des Neubaus wird das 25-jährige Jubiläum mit einem großen Festakt gefeiert. Das Bild zeigt das 1895 fertiggestellte St. Josefshaus .
1895
Einweihung des St. Josefshaus und 25-jähriges Jubiläum
1900, Katholische und evangelische Seelsorge. Die Pflegeanstalt war inzwischen offen für Menschen aller Konfessionen. In einem Werbeplakat von 1900 wird, neben der „herrlichen Alpenaussicht“, der „guten Kost“ und „der liebevollen Behandlung“, auch die Seelsorge durch das evangelische Stadtpfarramt in Tettnang angepriesen. Das Bild zeigt das Werbeplakat für die Pflegeanstalt.
1900
Katholische und evangelische Seelsorge
1902, Neue Satzung und Rechtsform der Stiftung. Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches muss auch über die Rechtsform der Anstalt neu entschieden werden. Nach eingehenden Diskussionen entscheidet sich der St. Johann Verein, der die Anstalt leitet, 1901 für die Rechtsform der Stiftung. Im folgenden Jahr wird die neue Satzung durch das Ministerium des Inneren und durch das Bistum genehmigt. Das Bild zeigt die neue Satzung der Stiftung.
1902
Neue Satzung und Rechtsform der Stiftung
1903, Mehrfache Brandstiftung. Anfang des 20. Jahrhunderts gehen durch Brandstiftung drei Gebäude in Flammen auf: Die frühere Schlosswirtschaft, das Bauernhaus sowie das Ökonomiegebäude brennen nieder. Glücklicherweise bleibt das Hauptgebäude mit seinen vielen Bewohnern verschont. Zwei Täter werden ermittelt, ein Dienstbube und ein „Zögling“. Das Bild zeigt den Pressebericht über die Brandstiftung.
1903
Mehrfache Brandstiftung
1910 bis 11, Beginn der Ära Josef Wilhelm. Josef Wilhelm kommt als neuer Hausgeistlicher nach Liebenau und wird 1911 zum Vorstand gewählt. In dieser Position prägt er die Entwicklung Liebenaus bis 1953. Er tritt als tatkräftiger Bauherr hervor, beginnt regelmäßige Inventuren durchzuführen und führt die Stiftung durch zwei Weltkriege und die Gräuel der NS-Zeit. Das Bild zeigt Direktor Josef Wilhelm mit „seinen“ Pfleglingen.
1910 / 1911
Beginn der Ära Josef Wilhelm
1914 - 1924

Krieg und Krise

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verschont auch das weitab der Fronten gelegene Liebenau nicht, für das nun schwere Zeiten anbrechen. Vor allem bei der Ernährung kommt es im Laufe des Krieges immer mehr zu Engpässen. Geplante bauliche Erweiterungen können nicht ausgeführt werden. Man muss sich auf die notwendigsten Reparaturen beschränken.

Das herbeigesehnte Ende des Krieges bringt jedoch nur wenig Besserung. Die Nachkriegswirren mit ihren wirtschaftlichen und politischen Problemen gefährden Liebenau essentiell. Es wird diskutiert, die Pflegeanstalt zu schließen. Erst mit der Einführung der Rentenmark stabilisiert sich die Lage wieder, und Liebenau kann weiter bestehen bleiben.

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1914, Beginn des ersten Weltkrieges. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs macht sich rasch auch im abgelegenen Liebenau bemerkbar: Drei Knechte werden einberufen, fünf Pferde für den Kriegsdienst eingezogen, ebenso ein Fuhrwagen. Im Schnitt müssen 500 Pfleglinge und 70 Mitarbeiter während des Ersten Weltkriegs versorgt werden. Trotz eigener Landwirtschaft kommt es zu Engpässen. Das Bild zeigt eine Ansichtskarte von Liebenau, circa 1913.
1914
Beginn des Ersten Weltkriegs
1916, Krise bei Personal, Versorgung, Finanzierung. Der Krieg macht sich nun stärker in Liebenau bemerkbar: Es kommt zu einer zunehmenden Lebensmittelknappheit, weshalb Brotkarten und Lebensmittelmarken eingeführt werden. Die anstaltseigene Ernte, Milch und Hausschlachtung helfen zwar, reichen jedoch nicht aus. Verteuerung und der hinzukommende Mangel an wirksamen Medikamenten erschweren die Bekämpfung von Krankheiten. Das Bild zeigt drei Frauen mit einem Wagen beim Brot ausliefern.
1916
Krise bei Personal, Versorgung, Finanzierung
1920, 50. Jubiläum und düstere Vorahnung. Im Rahmen des Festaktes zum 50-jährigen Jubiläum der Stiftung geht Dr. Gotthilf Vöhringer in einem Vortrag auf die in Europa immer stärker geführte Diskussion um Euthanasie ein und warnt vor den Gefahren. Die Gäste zeigen sich schockiert, halten solche Überlegungen aber für reine Theorie. Dass schon zwanzig Jahre später unter den Nationalsozialisten die gezielte Tötung von Menschen mit geistigen Behinderungen grausame Realität und Liebenau selbst davon betroffen sein wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Das Bild zeigt den handschriftlichen (!) Jahresbericht im 50. Jahr des Bestehens.
1920
50. Jubiläum und düstere Vorahnung
1923, Inflation und nächste finanzielle Krise. Die Inflation erreicht 1923 ihren Höhepunkt, die Pflegeanstalt steht finanziell kurz vor dem Aus. Geldspenden, Lebensmittel und Textilien aus verschiedenen Quellen gelangen nach Liebenau, in den Monaten September und Oktober wird dennoch die Schließung der Anstalt in Erwägung gezogen. Die Stabilisierung der Währung durch die Einführung der Rentenmark im November bringt die Wende. „Da kam der Christmonat und brachte Rettung: Billiges Brot und billiges Fleisch“, schreibt Direktor Wilhelm. Zwar war die Anstalt um ihr Vermögen gebracht, durch die Umstellung werden jedoch auch die Schulden reduziert, womit ein Neuanfang überhaupt erst möglich wird. Das Bild zeigt eine durch die Reichsregierung ausgestellte Banknote.
1923
Inflation und nächste finanzielle Krise
1925 - 1932

Ausbau und Wachstum

Der Niedergang kann abgewendet werden und bald beginnt ein erfolgreicher Neustart. Die „Pfleg- und Bewahranstalt Liebenau" wächst rasch: Neue Grundstücke werden erworben und mit Hegenberg und Rosenharz entstehen zwei Zweigstellen, die fortan fest zu Liebenau gehören.

1925 bis 1929, Erwerb und Eröffnung des Landerziehungsheims Rosenharz. Für 95.000 Reichsmark erwirbt Liebenau 1925 in Rosenharz bei Bodnegg drei Gebäude sowie 65 Morgen Feldland. Gegen Ende des Jahres sind dort 80 Bewohnerinnen sowie das Pflegepersonal untergebracht. Bald wird der neue Standort zu einem Landerziehungsheim ausgebaut, das 1929 eröffnet wird und dem ein modernes Konzept aus England zugrunde liegt: Zöglinge sollen im Handwerk ausgebildet werden, damit sie später ihren Lebensunterhalt verdienen können. Rosenharz entwickelt sich rasch zu einer bedeutenden Zweigeinrichtung Liebenaus. Sie besteht bis heute. Das Bild zeigt eine Ansichtskarte von Rosenharz, circa 1930er Jahre.
1925 bis 1929
Erwerb und Eröffnung des Landerziehungsheims Rosenharz
1927, Übernahme des St. Gebhardi-Hauses in Hegenberg. Die Pflegeanstalt erwirbt das St. Gebhardi-Haus in Hegenberg, bisher eine private katholische „Rettungsanstalt“ für Kinder, mitsamt der zugehörigen Landwirtschaft und Gärtnerei. Es wird zur Unterbringung von Frauen mit Behinderungen genutzt. Heute befindet sich hier ein Fachzentrum für Kinder mit Unterstützungsbedarf. Das Bild zeigt das St. Gebhardi-Haus in Hegenberg.
1927
Übernahme des St. Gebhardi-Hauses in Hegenberg
1930, Verlegung der Gemeindestraße in Liebenau. Die Kranken und Pfleglinge in Liebenau locken immer wieder Neugierige von außerhalb an. Die Schaulustigen haben relativ leichten Zugang zur Einrichtung, denn die öffentlich genutzte Gemeindestraße führt mitten durch das Gelände der Anstalt. Um die Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen, wird beschlossen, die Straße zu verlegen. Dabei trägt die Pflegeanstalt zwei Drittel der Kosten, zudem muss sie noch gut ein Hektar Land unentgeltlich abgeben. Das Bild zeigt die alte Gemeindestraße um 1900.
1930
Verlegung der Gemeindestraße in Liebenau
1933 - 1945

Nationalsozialistische Herrschaft und Kriegsjahre

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beginnt für Liebenau, 1940 offiziell in „Heil- und Pflegeanstalt Liebenau“ umbenannt, die schwerste Zeit ihrer Geschichte. Sozialdarwinistische Vorstellungen von „wertem und unwertem Leben“ werden unter den Nationalsozialisten radikal umgesetzt. Das unmenschliche NS-Euthanasie-Programm hat verheerende Folgen: Es kommt zur Ermordung von mehr als der Hälfte der Liebenauer Bewohnerinnen und Bewohner.

Während der Kriegsjahre werden Zwangsarbeiter eingesetzt und Zivilisten aus verschiedenen Staaten interniert. Die Zweigstelle Rosenharz dient der Wehrmacht als Lazarett. Das während der NS-Zeit Geschehene wird die Einrichtung fortan begleiten.

1934, Neubau der Liebenauer Kirche. Ende des Jahres 1934 wird der Neubau der Liebenauer Kirche eingeweiht, deren erste Baupläne bereits 1912 angefertigt wurden. Eine Besonderheit stellt der Turm dar: Er besitzt anstatt einer gleich zwei Turmspitzen. 1989 wird die Kirche als einer der qualitätsvollsten Bauten der Zwischenkriegszeit in Oberschwaben bezeichnet. Das Bild zeigt die Liebenauer Kirche kurz nach ihrer Fertigstellung 1934.
1934
Neubau der Liebenauer Kirche
1939, Ermordung von Menschen mit Behinderungen. Entgegen christlichen Überzeugungen werden Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in der NS-Zeit diskriminiert und verfolgt. Ab 1934 müssen Bewohnerinnen und Bewohner aus Liebenau in umliegenden Krankenhäusern zwangssterilisiert werden. 1939 erreicht die Anstalt ein Fragebogen eines Wissenschaftlers, in welchem nach der Haltung zur sogenannten „schmerzlosen Vernichtung von Geistestoten“ gefragt wird. Direktor Wilhelm äußert in seiner Antwort deutlich die prinzipielle Ablehnung solcher Maßnahmen und bezeichnet sie als „wilde Barbarei“ und „bestialisch“. Die Frage, ob es in seiner Heil- und Pflegeanstalt „Geistestote“ gäbe, beantwortet er schlicht mit „nein!“. Ab Anfang 1940 werden in der „Aktion T 4“ zehntausende Menschen mit Behinderungen gezielt ermordet. Am 1. Juli 1940 beginnen massenhafte Deportationen aus Liebenau. Bis Mitte März 1941 wird ein großer Teil der Bewohnerinnen und Bewohner aus den Liebenauer Einrichtungen mit Bussen abgeholt und in die Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar gebracht. Insgesamt finden mehr als 500 Menschen aus Liebenau den Tod. Zu den „Euthanasie“-Opfern der Liebenauer Einrichtungen gehören auch die Bewohnerinnen und Bewohner jüdischer Herkunft. Unter dem Vorwand, dass die Pfleglinge unentbehrlich für die Arbeit in der Liebenauer Landwirtschaft seien, versucht Direktor Wilhelm die Transporte zu verhindern – vergebens. Rettungsversuche gelingen jedoch im kleinen Rahmen: Einige Menschen mit Behinderungen werden als Hilfskräfte angestellt oder als Pensionäre eingestuft. Manche werden offiziell entlassen, verbleiben jedoch in Liebenau, andere werden gar nicht erst im Aufnahmebuch vermerkt.. Das Bild zeigt Menschen aus Liebenau bei der Abholung durch den roten Bus.
1939
Ermordung von Menschen mit Behinderungen
1939, JosefLandthaler. Er steht für viele: Joseph Landthaler (Mitte), in Liebenau wohnhaft seit dem 4. November 1907. Ermordet im November 1940 in Grafeneck.
1939
Josef Landthaler
1939, Ausbruch des 2. Weltkrieges. Mit dem deutschen Angriff auf Polen beginnt der Zweite Weltkrieg. Wie bereits im vorhergehenden Krieg werden wieder Lebensmittel- und Kleiderkarten ausgegeben. Durch Einberufungen zur Wehrmacht fehlt es an Arbeitskräften, im Laufe des Krieges muss ein Großteil der Pferde abgegeben werden. Infolge der Bombenangriffe auf Berlin siedelt 1943 ein Teil des Auswärtigen Amtes nach Liebenau um und richtet sich im dortigen Gut-Betha-Haus ein. Deren Aufgabe ist unter anderem die Organisation des Gefangenenaustauschs mit in Liebenau internierten Zivilisten. Das Bild zeigt kriegsgefangene französische Soldaten in Liebenau, Weihnachten 1941.
1939
Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
Interniertenlager Liebenau. Von Oktober 1940 bis zum Kriegsende dient Liebenau als Lager für Zivilinternierte ausländischer Staatsbürgerschaft. Im Rahmen der NS-Austauschpolitik sollen sie gegen von den Alliierten festgesetzte Deutsche ausgetauscht werden. Hierfür wird in Liebenau eigens eine Dienststelle des Auswärtigen Amts eingerichtet. Im Interniertenlager Liebenau sind überwiegend Frauen und Kinder untergebracht. Bis zu 640 Internierte, unter anderen aus Holland, Belgien, Amerika, England, Nordafrika und Polen, darunter 45 Ordensschwestern, leben etwa Anfang 1943 dort. In Liebenau werden auch zahlreiche sogenannte jüdische Austauschhäftlinge gefangen gehalten. Unter ihnen befinden sich viele Britinnen und Amerikanerinnen, die etwa in Osteuropa oder in Nordafrika festgesetzt wurden. Sie kommen zum Teil aus dem Konzentrationslager Bergen Belsen nach Liebenau. Das Bild zeigt Frauen und Kinder in Liebenau.
1940
Interniertenlager Liebenau
1940, Zwangsarbeiter und zivile Internierte. In Liebenau, Hegenberg und Rosenharz werden Zwangsarbeiter eingesetzt. Es sind französische, möglicherweise auch polnische und serbische Kriegsgefangene, die wohl in der Landwirtschaft arbeiten. Für die Bewachung ist die Wehrmacht zuständig. Es werden zudem einzelne sowjetische, französische und polnische zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Liebenauer Einrichtungen zu Hilfstätigkeiten in der Pflege und für hausmeisterliche Tätigkeiten herangezogen. Aus späteren Zeugenaussagen und Briefen ist zu entnehmen, dass sowohl Zwangsarbeiter als auch Zivilinternierte die Behandlung als „anständig“ erlebten. Es gibt aber auch gegenteilige Berichte von jüdischen Austauschhäftlingen. Im August 1945 kehren die letzten Internierten – drei holländische Ordensschwestern – in ihre Heimat zurück. Heute befinden sich noch Grabstätten von 13 Personen ausländischer Staatsbürgerschaft auf dem Liebenauer Friedhof. Sie verstarben während der NS-Zeit und in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Liebenau. Das Bild zeigt Gräber von Zwangsarbeitern auf dem Friedhof in Liebenau.
1941
Zwangsarbeiter und zivile Internierte
1945, Genevieve de Gaulle im Internierungslager Liebenau. Die bekannteste Internierte ist wohl Geneviève de Gaulle, die Nichte des französischen Generals de Gaulle. Als Angehörige der französischen Résistance gerät sie 1943 in deutsche Gefangenschaft und kommt in das KZ Ravensbrück. Bevor sie in einem Gefangenenaustausch über die Schweiz nach Frankreich zurückgebracht wird, verbringt sie im Frühling 1945 zwei Monate in Liebenau. In einem Brief an ihren Vater beschreibt sie die Behandlung in Liebenau als sehr positiv. Das Bild zeigt den Schlafsaal unter der Kirche für die in Liebenau internierten Frauen.
1945
Geneviève de Gaulle im Internierungslager Liebenau
1945, Kriegsende und Besatzung. Am 29. April erreichen alliierte Truppen Liebenau und die Heil- und Pflegeanstalt ist zeitweise unter Besatzung. Die in Liebenau befindlichen Beamten des Auswärtigen Amtes werden verhaftet. Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und zivile Internierte verlassen nach und nach Liebenau. Manche von ihnen unterhalten später noch Briefkontakt mit Anstaltsleiter Josef Wilhelm, auch kommen immer wieder frühere Internierte zurück, um ihren Nachkommen den Ort zu zeigen. Das Bild zeigt den Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll beim Besuch in Rosenharz.
1945
Kriegsende und Besatzung
1946 - 1969

Neubeginn

Nach den Schrecken der NS-Zeit und des Krieges kann Liebenau seiner ursprünglichen Aufgabe wieder voll und ganz nachkommen. Unter der Leitung von Direktor Max Gutknecht werden wichtige Weichen in verschiedenen Bereichen gestellt, etwa in der Personalpolitik, der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter oder bei den kulturellen Angeboten für die Bewohnerinnen und Bewohner.

1954, Amtsantritt Max Gutknecht. Direktor Josef Wilhelm stirbt am 18. Dezember. Unter seinem Nachfolger Max Gutknecht wird Liebenau wirtschaftlich effizienter organisiert, was auch dem Personal zugutekommen soll. So drängt er zur Umsetzung der seit 1953 verpflichtend vorgesehenen zusätzlichen Altersversorgung für langjährige Mitarbeiter und fordert höhere Gehälter im Sinne der Regelung für kirchliche Anstaltsbetriebe. Das Bild zeigt Direktor Max Gutknecht.
1954
Amtsantritt Max Gutknecht
1955, Bauarbeiten und Vergrößerung Pflegeanstalt. In den 1950er Jahren kommt es zu wichtigen Neubau- und Renovierungsarbeiten. Ziel war es, den Platzmangel zu verringern und die Lebensqualität in den Häusern durch Modernisierung zu verbessern. In Liebenau werden ein Gärtnereigebäude mit Gewächshausanlage sowie ein neues Handwerkerhaus gebaut. Dort sollen Pfleglinge mit entsprechender Eignung zu Hilfskräften in verschiedenen handwerklichen Berufen ausgebildet werden. Das Bild zeigt das neu erstellte Gewächshaus.
1955
Bauarbeiten und Vergrößerung Pflegeanstalt
1958, Fachpersonal wird knapp. In der Pflegeanstalt kommt es Ende der 1950er Jahre zu einem Engpass an Fachkräften. 1958 sind die meisten Schwestern aus dem Kloster Reute in einem hohen Alter und es gibt kaum Nachfolgerinnen. Die Einrichtung ist daher zunehmend auf weltliche Pflegekräfte angewiesen. Auch ändert sich im Laufe der 1960er Jahre das Berufsbild. Immer mehr spezialisierte Fachkräfte werden eingestellt. Das Bild zeigt Schwester Luisa mit einem Pflegling, 1957.
1958
Fachpersonal wird knapp
1968, Amtsantritt Norbert Huber. 1968 tritt der Theologe und Psychologe Norbert Huber das Amt des Direktors von Liebenau an. Er wird die Stiftung bis 1996 leiten. Unter Hubers Führung wird die Einrichtung modernisiert und auf ein sicheres ökonomisches Fundament gestellt. Moderne pädagogische Konzepte werden in der Pflege, aber auch in der Ausbildung der Mitarbeitenden eingeführt. Mit Huber ändert sich generell der Umgang mit Menschen mit Behinderung: Sie werden nicht mehr lediglich „verwahrt“, sondern im Sinne einer Selbstbestimmung bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützt. Das Bild zeigt Norbert Huber in Liebenau.
1968
Amtsantritt Norbert Huber
1969, Umgestaltung der Zweigstelle Rosenharz. Im Jahr 1969 wird die Lungenheilstätte in Rosenharz aufgelöst und die Zweigstelle wieder ihrer früheren Bestimmung zugeführt: Im Gebäude St. Gertrudis kommen Menschen mit Behinderungen unter, die vorher in Liebenau untergebracht waren. Arbeitserzieher werden eingesetzt, die bisherige Liegehalle zu einer Werkstatt für Behinderte ausgebaut. Auch Verwaltung und Landwirtschaft werden umstrukturiert. Das Bild zeigt Kinder in Rosenharz.
1969
Umgestaltung der Zweigstelle Rosenharz
1970 – 1979

Professionalisierung und neue Fachlichkeit

Liebenau beschreitet neue Wege. Die bisherige Heil- und Pflegeanstalt wird nun zur Stiftung Liebenau, neue Konzepte und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen werden entworfen. In dieser Zeit beginnt auch in der Politik ein Umdenken: 1974 entsteht eine Neufassung des Schwerbehindertengesetzes und 1975 tritt das Erste Buch des Sozialgesetzbuches in Kraft. Die neuen Gesetze sollen die Chancen von Menschen mit Behinderungen in Beruf und Alltag verbessern.

1970, Die Heil- und Pflegeanstalt wird zur Stiftung Liebenau. 1970 feiert Liebenau das 100-jährige Jubiläum. Die bisherige „Heil- und Pflegeanstalt Liebenau“ wird in „Stiftung Liebenau“ umbenannt. Die „auf katholisch-kirchlicher Grundlage ruhende Privat-Anstalt“, wie es in der Satzung von 1902 heißt, wird nun auch dem Namen nach zu einer Stiftung. In diesem Rahmen erhält die Stiftung auch ihr bis heute verwendetes Logo. Es setzt sich aus zwei stilisierten menschlichen Gestalten zusammen und fußt auf dem Gleichnis des barmherzigen Samariters. Das Bild zeigt die 100-Jahr-Feier der Stiftung Liebenau in der Stadthalle Tettnang.
1970
Die Heil- und Pflegeanstalt wird zur Stiftung Liebenau
1970, Gedenkstein für Euthanasie-Opfer. Unter der Leitung von Direktor Huber setzt die Aufarbeitung der NS-Zeit ein. Am 10. Oktober 1970 weiht der Rottenburger Bischof Carl Joseph Leiprecht einen Gedenkstein in der Liebenauer Kirche ein. Auf diesem werden die Namen aller Liebenauer Opfer des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms genannt. 2010 und 2014 werden auf dem Liebenauer Friedhof und im Liebenauer Schlosspark zwei weitere Gedenksteine gesetzt. Damit ist Liebenau Teil des Erinnerungsweges des Bodenseekreises, einem von insgesamt fünf Erinnerungswegen in Oberschwaben. Das Bild zeigt den kreuzförmigen Gedenkstein.
1970
Gedenkstein für Euthanasie-Opfer
1971, Das Institut für sozialpädagogische Berufe. Nachdem 1969 bereits eine Schule für Heilerziehungspflege eröffnet wurde, folgt 1971 die Gründung des Instituts für sozialpädagogische Berufe in Ravensburg, eine Kooperation der Stiftung Liebenau mit anderen Organisationen. Fachkräfte für Liebenau können dort berufsbegleitend ihre Qualifikation erhalten. Heute trägt die Einrichtung die Bezeichnung Institut für Soziale Berufe (IfSB). Das Bild zeigt das Institut für Soziale Berufe (IfSB) in Ravensburg heute.
1971
Das Institut für sozialpädagogische Berufe
1973, Von der Krankenstube zum Fachkrankenhaus. Seit Beginn der Arbeit in Liebenau 1870 kümmerte sich ein niedergelassener Arzt um die medizinische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner, seit 1897 sind hauptamtlich angestellte Ärzte in Liebenau tätig. 1973 wird die Krankenabteilung im Liebenauer Schloss ein Fachkrankenhaus und zieht zwei Jahre später in das St. Anna-Haus. Aus dem Fachkrankenhaus wird später die St. Lukas-Klinik. Seitdem werden hier nicht mehr nur Bewohner der Stiftung Liebenau, sondern auch Menschen von außerhalb behandelt. 1993 übernimmt die Stiftung die Fachkliniken Wangen. Das Bild zeigt die Versorgung einer Patientin in Liebenau.
1973
Von der Krankenstube zum Fachkrankenhaus
1974, Französische Soldaten in Rosenharz. Eine Einheit von zwölf Mann des französischen 11. Pionierregiments trifft mit schweren Baumaschinen am Standort Rosenharz ein. Die Stiftung Liebenau hatte sich auf der Suche nach Unterstützung an die in Rastatt stationierten französischen Streitkräfte gewandt. Neben einer Werkstatt soll ein Sportplatz für Menschen mit Behinderung errichtet werden. Vier Wochen benötigen die Soldaten, um alle Planierarbeiten abzuschließen. Als Dank für die Unterstützung erhalten die Soldaten Geschenke, die von den Jungen und Mädchen der Berufsvorbereitung hergestellt wurden. Das Bild zeigt die Überreichung des Logos von Direktor Norbert Huber an Kompaniechef Capitaine Brousse.
1974
Französische Soldaten in Rosenharz
1975, Die Schwestern von Reute verlassen Liebenau. Das Jahr 1975 bedeutet das Ende einer seit 100 Jahren bestehenden Tradition: Aufgrund von Überalterung und Nachwuchsmangel ist es dem Kloster Reute nicht mehr möglich, den 1874 abgeschlossenen Vertrag mit der Stiftung Liebenau aufrechtzuhalten. Anfang August ist der Auszug der Barmherzigen Schwestern aus dem Hauptstandort Liebenau abgeschlossen. Die letzten beiden Ordensschwestern aus dem Kloster Reute verlassen die Stiftung Liebenau im Jahre 1989. Das Bild zeigt die feierliche Verabschiedung der Barmherzigen Schwestern von Reute.
1975
Die Schwestern von Reute verlassen Liebenau
1976, Eröffnung des Hegenberger Kinderdorfs. Nach vierjähriger Bauzeit wird das Hegenberger Kinderdorf feierlich eröffnet. Die bisher noch im Erwachsenenbereich untergebrachten Kinder und Jugendlichen mit schweren Behinderungen sollen von nun an hier betreut und versorgt werden. Zum Dorf gehören eine neue Sonderschule sowie Zentren für Therapie, Sport und Freizeit. Erstmals werden während der großen Ferien auch Kinder für zwei bis vier Wochen zur Entlastung ihrer Eltern im Kinderdorf aufgenommen, die sogenannte Kurzzeitunterbringung. Das heutige Aufgabenfeld Stiftung Liebenau Familie hat hier seinen Anfang. Das Bild zeigt ein Luftbild des Hegenberger Kinderdorfs kurz nach der Fertigstellung 1976.
1976
Eröffnung des Hegenberger Kinderdorfs
1980 – 1994

Bildung und Miteinander

Die 1980er Jahre in der Geschichte der Stiftung Liebenau sind besonders dadurch gekennzeichnet, dass die soziale Integration der betreuten Menschen in den örtlichen Gemeinschaften und in der Gesellschaft gefördert wird. Eine Reihe neuer Bildungs- und Schulungsangebote wird eingeführt. In den 1990er Jahren entsteht die Altenhilfe als ein bedeutendes neues Geschäftsfeld der Stiftung Liebenau.

Im Jubiläumsjahr 1980 erhält das Liebenauer Schloss eine neue Bestimmung. Wo die Betreuung von Menschen mit Behinderungen 1870 begonnen hatte, finden nun Fortbildungen und Schulungen für interne und externe Fachkräfte, Führungspersonal und freiwillig Engagierte statt. Das Schloss wird innen umgebaut und gründlich renoviert. Für einen barrierefreien Zugang muss der noch aus dem Jahre 1909 stammende Anbau einem modernen Aufzugturm weichen. Im Schloss befinden sich nun die meisten Kunstwerke und antiken Möbel aus dem Besitz der Stiftung. Das Bild zeigt das Schloss Liebenau in den 80er Jahren.
1980
Schloss Liebenau wird Schulungszentrum
1980, Eröffnung des Berufsbildungswerkes. 1980 wird durch das Arbeitsamt Ravensburg und die Stiftung Liebenau, welche die Trägerschaft übernimmt, das Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) in Ravensburg eröffnet. Hier werden jährlich 180 Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf in staatlich anerkannten Metall- und Hausbauberufen ausgebildet. Das Berufsbildungswerk soll zur besseren Eingliederung von Personen mit Lernbehinderungen in die Arbeitswelt beitragen. Eine Sonderberufsschule bietet zusätzlich berufliche Begleitung für diejenigen an, die bereits in der Industrie oder im Handwerk ausbildet werden. Das heutige Berufsbildungswerk der Stiftung Liebenau bildet inzwischen Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf in über 50 Berufen aus. Das Bild zeigt die Metallwerkstatt des Berufsbildungswerks.
1980
Eröffnung des Berufsbildungswerkes
1990, Ein neues Konzept der Altenhilfe für die Zukunft. Als offizieller Startschuss für den neuen Bereich der Liebenauer Altenhilfe gilt das Jahr 1990. In Friedrichshafen übernimmt die Stiftung Liebenau das Altenheim St. Antonius. Fünf Jahre später wird es ersetzt durch das neu erbaute Franziskuszentrum, ein Sozialzentrum mit Angeboten zur Dauer-, Kurzzeit- und Tagespflege für ältere und pflegebedürftige Menschen. Das nach einem neu entwickelten Konzept der Altenhilfe geführte Altenheim zeichnet sich durch seine Offenheit und die Integration der Bewohner in das soziale Leben vor Ort aus. Eine menschliche Begleitung von Altwerden, Krankheit und Sterben nach christlichen Werten wird hier in den Mittelpunkt der Altenpflege gestellt. Das Bild zeigt eine junge Pflegerin mit einer älteren Bewohnerin.
1990
Ein neues Konzept der Altenhilfe für die Zukunft
1995 – 2015

Dezentralisierung und Internationalisierung

Die Stiftung wächst, und ihre Organisation wird in den 1990er Jahren dezentralisiert. Im Rahmen dieser Entwicklung entstehen eine Reihe von Tochterund Beteiligungsunternehmen. Neben Aktivitäten in Sachsen und Rheinland-Pfalz weitet Liebenau sein Engagement auch nach Österreich, Italien, in die Schweiz, die Slowakei und sogar nach Bulgarien aus. Damit wird aus der einstigen Pflegeanstalt im Oberschwäbischen ein international agierendes Unternehmen.

1995, Umstukturierung und Dezentralisierung. Maßgeblich unter der Leitung des seit 1992 amtierenden kaufmännischen Vorstands Helmut Staiber beginnt 1995 die Umstrukturierung der Stiftung Liebenau. Die bisher sehr zentralistische Struktur wird aufgegliedert, die wesentlichen Bereiche der Tätigkeiten werden in fünf selbständigen gemeinnützigen Tochtergesellschaften mit eigener Geschäftsführung gebündelt. Ein übergreifender Entscheidungskreis, die Stiftung Liebenau Holding, fasst gemeinsame Ressourcen zusammen. Bei der dezentralen Umstrukturierung geht es darum, eine effiziente und rentablere Verwaltung der sich immer weiter entwickelnden Stiftung zu erreichen. Diese Struktur besteht bis heute und wird stetig weiterentwickelt. Das Bild zeigt den neuen Führungskreis aus Vorstand und Geschäftsführern 1996.
1995
Umstrukturierung und Dezentralisierung
1996, Dr. Joachim Senn wird Vorstandsvorsitzender. Am 9. Dezember 1996 wird Dr. Joachim Senn zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt. Er war seit dem 5. Dezember 1990 als Mitglied im Aufsichtsrat tätig. Den Posten des Vorsitzenden hat Dr. Senn bis heute inne. Im gleichen Jahr scheidet der seit 1968 amtierende Vorstand Norbert Huber aus. Sein Nachfolger wird Dekan Dieter Worrings, der die Stiftung gemeinsam mit Helmut Staiber führt. Das Bild zeigt Dr. Joachim Senn.
1996
Dr. Joachim Senn wird Aufsichtsratsvorsitzender
1998, Schritt nach Bregenz und Beginn der Tätigkeiten im europäischen Ausland. 1998 beginnt mit dem Schritt in das nahegelegene österreichische Bregenz das sozialwirtschaftliche Engagement der Stiftung Liebenau im europäischen Ausland. Sie übernimmt zum Jahresbeginn 1998 die drei städtischen Altenheime in Bregenz mit insgesamt 212 Plätzen. In den kommenden Jahren werden die Unternehmungen im europäischen Ausland weiter ausgebaut. Ab 2004 ist die Stiftung Liebenau in der Schweiz, seit 2009 in Italien und seit 2013 auch in der Slowakei durch Tochterunternehmen oder Beteiligungen repräsentiert. Das Bild zeigt die Eröffnung des Sozialzentrums Mariahilf in Bregenz, 2001.
1998
Schritt nach Bregenz und Beginn der Tätigkeiten im europäischen Ausland
1998, Gründung des Bulgarisch-Deutschen Sozialwerks. Im Dezember 1998 gründet die Stiftung Liebenau gemeinsam mit der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn und der orthodoxen Metropolie von Varna das Bulgarisch-Deutsche Sozialwerk. Das Werk soll Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung im zweitärmsten Land Europas bekämpfen. Erreicht werden soll dies vor allem durch Unterstützung beim Aufbau von dauerhaften sozialen Einrichtungen und der Stärkung von Selbsthilfekräften in Bulgarien. Das Bild zeigt Kinder und eine Betreuerin in Bulgarien.
1998
Gründung des Bulgarisch-Deutschen Sozialwerks
1999, Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in Kisslegg. Die Stiftung Liebenau übernimmt eine Kuratorenrolle für die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in Kißlegg. Die Stiftung Hospital zum Heiligen Geist versteht sich als ein „aus christlicher Motivation heraus entstandenes, unabhängiges Sozial-, Gesundheits- und Bildungsunternehmen“. Großen Raum nimmt dabei die Pflege von älteren Menschen ein, denen geholfen wird, ihr Leben so weit wie möglich eigenständig, würdevoll und selbstbestimmt zu gestalten. Heute arbeiten in der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und ihren beiden Unternehmen über 300 Mitarbeiter an acht Standorten in elf verschiedenen Einrichtungen und Diensten. Das Bild zeigt Bewohner und Betreuer der Stiftung Hospital im Garten.
1999
Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in Kißlegg
2000, Neue Definition der Geschäftsbereiche der Stiftung. Zum 1. Januar 1999 tritt eine neue Satzung der Stiftung Liebenau in Kraft. Um eine größere Flexibilität zu ermöglichen, werden die Aufgaben der Stiftung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen breiter formuliert. Während die Stiftung als Sozial- und Förderstiftung etabliert wird, sollen die Gesellschaften als wettbewerbsfähige Dienstleistungsunternehmen wirken. Die neue Ausrichtung drückt sich auch in institutionellen Veränderungen aus. Im Juni 2000 trennt sich die Stiftung Liebenau von den Fachkliniken Wangen. Die Aufgabenfelder der weiterbestehenden Tochtergesellschaften definieren die heutigen Aufgabenfelder „Stiftung Liebenau Bildung“, „Stiftung Liebenau Gesundheit“, „Stiftung Liebenau Pflege und Lebensräume“ sowie „Stiftung Liebenau Teilhabe und Familie“. Auch der Bereich „Stiftung Liebenau Service und Produkte“, schon seit längerem ein wichtiges Betätigungsfeld der Stiftung, ist heute offiziell ein weiteres Aufgabenfeld. Das Bild zeigt eine Ansicht der Fachkliniken Wangen.
2000
Neue Definition der Geschäftsbereiche der Stiftung
2000, Brüsseler Kreis Im September 2000 gründen elf deutsche christliche Sozialeinrichtungen aus Diakonie und Caritas gemeinsam den Brüsseler Kreis. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung der Europäischen Union, auch im Bereich sozialer Dienstleistungen, soll diese Initiative, die von der Stiftung Liebenau ausging, die Kooperation sozialer Dienste auf europäischer Ebene fördern. In Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, Regierungsbehörden, Verbänden und Interessenvertretungen wird unter anderem an sozialpolitischen Themen mit nationaler und europäischer Dimension gearbeitet. Das Bild zeigt die Vertreter des Brüsseler Kreises.
2000
Der Brüsseler Kreis. Eine europäische Gestaltung der Sozialeinrichtungen
2002, Vorstand wird neu aufgestellt. Der langjährige Vorstand Helmut Staiber geht 2002 in den Ruhestand und der Vorstand wird neu aufgestellt. Neben dem seit 1996 als Vorstand amtierenden Pfarrer Dieter Worrings wird 2002 Dr. Berthold Broll Nachfolger Staibers. 2005 wird der Vorstand um Dr. Markus Nachbaur auf drei Personen erweitert, bis Worrings 2008 ausscheidet. 2011 kommt Prälat Michael H. F. Brock hinzu, der bis heute mit Dr. Berthold Broll und Dr. Markus Nachbaur den Vorstand bildet. Das Bild zeigt Helmut Staiber und seinen Nachfolger Dr. Berthold Broll.
2002
Vorstand wird neu aufgestellt
2003 bis 2005 Liebenauer Verkaufsladen und eigener Weinanbau. Schon Ende der 1990er Jahre entstehen die ersten Service-Gesellschaften der Stiftung Liebenau, das heutige Aufgabenfeld „Stiftung Liebenau Service und Produkte“. 2003 wird der Verkaufsladen des Liebenauer Landlebens eröffnet. Dieser bietet eine Reihe von Produkten aus eigener Landwirtschaft an, darunter Gemüse, Käse, Wurst oder Blumen. Seit 2005 baut die Stiftung Liebenau bei Kressbronn am Bodensee zudem eigenen Wein an. Damit greift die Stiftung eine alte Tradition wieder auf, denn schon in früheren Zeiten gehörten zum Schloss Liebenau auch einige Weinberge. Mit dem Weinanbau wird nun nicht nur die Palette an hauseigenen Produkten erweitert, sondern auch ein neues attraktives Beschäftigungsfeld für Menschen mit Behinderung geschaffen. Das Bild zeigt den Verkaufsladen des Liebenauer Landleben.
2003/2005
Liebenauer Verkaufsladen und eigener Weinanbau
2004, Stiftung Helios – Leben im Alter. 2004 beginnt die Zusammenarbeit mit der 1982 im schweizerischen Rorschach gegründeten „Stiftung Villa Helios“. Das in einer Jugendstilvilla untergebrachte Alten- und Pflegeheim wird in den folgenden Jahren grundlegend saniert und um einen modernen Neubau erweitert. Zu ihrem 25. Jubiläum im Jahr 2009 bekommt die Stiftung ihren heutigen Namen. Die „Stiftung Helios – Leben im Alter“ betreibt neben dem Pflegeheim Helios ein Alters- und Pflegeheim in Brunnadern und einen ambulanten Dienst. 2019 geht sie über in die Liebenau Schweiz, eine gemeinnützige AG der Stiftung Liebenau. Das Bild zeigt die Villa Helios in Goldach bei Rorschach.
2004
Stiftung Helios – Leben im Alter
2006 bis 2009, Auseinandersetzung um den rechtlichen Status der Stiftung. Seit dem Jahr 2000 gibt es Unstimmigkeiten zwischen der Diözese Rottenburg-Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg bezüglich der zukünftigen Ausrichtung der Stiftung Liebenau. Sie führen 2006 zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über den rechtlichen Status der Stiftung. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigt 2009 den seit 1978 geltenden Status der Stiftung Liebenau als eine kirchliche Stiftung privaten Rechts. Diözese und Stiftung finden nach dieser Auseinandersetzung wieder zu einem konstruktiven Miteinander. Das Bild zeigt den Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Joachim Senn mit dem Bischof der Diözese Stuttgart Rottenburg Dr. Gebhard Fürst und dem Vorstand der Stiftung Liebenau, Dr. Berthold Broll, Prälat Michael H. F. Brock und Dr. Markus Nachbaur.
2006 bis 2009
Auseinandersetzung um den rechtlichen Status der Stiftung
2015 -

Inklusion

Die Stiftung Liebenau ist auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft. Sie setzt fachliche Schwerpunkte in der Förderung von Autonomie und sozialer Teilhabe und in der bedarfsgerechten Begleitung von Menschen mit schweren und mehrfachen Einschränkungen. Mit innovativen Quartiersprojekten setzt sie Akzente in der Entwicklung neuer Altenhilfemodelle.

Um die Existenz und Unabhängigkeit der Stiftung Liebenau dauerhaft zu sichern, steht die wirtschaftliche und wettbewerbsfähige Gestaltung ihrer Angebote ebenso im Fokus wie ein gesundes Wachstum und der nachhaltige Umgang mit Ressourcen.

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2015, Obdach für geflüchtete Menschen. Hilfe für Menschen in Not ist im christlichen Selbstverständnis der Stiftung Liebenau fest verankert. Im Herbst 2015 werden 13 Familien aus Syrien und aus dem Irak in Liebenau aufgenommen. Im Gallussaal sowie in der Liebenauer Kirche werden vorübergehend Notunterkünfte eingerichtet, weitere Menschen kommen in Rosenharz unter. In Hegenberg und im Berufsbildungswerk Adolf Aich werden unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Fortan leistet die Stiftung auch Hilfe für Geflüchtete, so werden etwa Gastfamilien vermittelt und Bildungsangebote bereitgestellt. Zudem beteiligt sich Liebenau gemeinsam mit anderen Trägern, Jobcentern und Landkreisen an Projekten, die Geflüchteten einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Das Bild zeigt die Ankunft geflüchteter Menschen in Liebenau.
2015
Obdach für geflüchtete Menschen
2018, Leben im inklusiven Quartier. In der oberschwäbischen Gemeinde Oberteuringen entsteht ein inklusives Quartier – mit Wohnungen für alle Lebensalter, für Menschen mit und ohne Handicap, mit Kindergarten, einem Haus der Pflege, Förder- und Betreuungsbereich und öffentlichen Räumen für Freizeit, Bildung und Begegnung. Das Konzept, entwickelt und getragen von der Gemeinde und der Stiftung Liebenau, findet überregionale fachliche Beachtung. Das Bild zeigt das Haus am Teuringer in Oberteuringen.
2018
Leben im inklusiven Quartier
2019
Fachkräftegewinnung auf neuen Wegen
2020
100. Zustifter
2020 - 2022
Ausnahmezustand Corona
2023
25 Jahre Auslandserfahrung
1842 - 1869
Die Vision
1870 - 1877
Die Gründungsphase
1878 - 1913
Etablierung
1914 - 1924
Krieg und Krise
1925 - 1932
Ausbau und Wachstum
1933 - 1945
Nationalsozialistische Herrschaft und Kriegsjahre
1946 - 1969
Neubeginn
1970 – 1979
Professionalisierung und neue Fachlichkeit
1980 – 1994
Bildung und Miteinander
1995 – 2015
Dezentralisierung und Internationalisierung
2015 -
Inklusion

Leichte Sprache

Die Geschichte der Stiftung Liebenau, in Leichte Sprache übersetzt, geprüft von Menschen aus den Liebenauer Arbeitswelten.

Film ab! Eine Reise durch die Zeit in 5 Minuten

Jubiläumsschau

Jubiläumsshow live aus Liebenau

Am 15. Oktober vor 150 Jahren wurde die Pfleg- und Bewahranstalt für Unheilbare in Liebenau feierlich eröffnet. Dieser besonders runde Geburtstag wurde an allen Standorten gefeiert, mit üppigen Jubiläumstorten und fantasievollen Glückwünschen. Aus Liebenau selbst gab es eine Geburtstagsüberraschung besonderer Art: Eine Jubiläumsshow als Livestream im Internet brachte Menschen aller Standorte zusammen. www.stiftung-liebenau.de/liveausliebenau

150 Luftballons…

150 Luftballons – 150 Luftballons – Auch im BBW in Ravensburg wurde gefeiert. Corona-konform, aber nichtsdestotrotz mit viel guter Laune, Leckereien, ganz persönlichen Erinnerungen, „Zinks verrückter Zauberkunst“ , einer großen Jubiläumstorte und 150 Luftballons. Auf Schautafeln präsentierten die Jugendlichen Gedanken zum BBW: dass man so akzeptiert werde, wie man ist, selbstständiger und selbstbewusster geworden sei, „Spaß und Freundschaften“ oder sogar „die Liebe meines Lebens“ gefunden habe.…

LiSe vergoldet den Geburtstag

LiSe vergoldet den Geburtstag – Mit goldfarbenen Zahlen wurde in allen Bereichen der Liebenau Service das Jubiläum in Szene gesetzt. In der Wäscherei ebenso wie im Catering und in der Materialwirtschaft. In der Verwaltung trafen sich die Kolleginnen und Kollegen zum Public Viewing der Jubiläumsshow aus dem Schloss Liebenau.

Glückwunsch mit Schaf

Glückwunsch mit Schaf – Tierische Geburtstagsgrüße kamen vom Therapiehof Weiler. Nach eifrigem Basteln mit Karton und Farbe entstand dieses einmalige Gruppenbild. Der Therapiehof Weiler gehört zu den Sozialtherapeutischen Heimen der Liebenau Kliniken – ebenso wie das Haus St. Helena in Vogt, wo am 15.10. auch Geburtstag gefeiert wurde.

Geburtstagsgrüße aus der Region Hohentengen-Mengen-Scheer

Geburtstagsgrüße aus der Region Hohentengen-Mengen-Scheer – Aus dem Landkreis Sigmaringen kamen Glückwünsche vom Team der Sozialstation St. Anna (im Bild), aus dem Haus der Pflege St. Ulrika und von den Lebensräumen für Jung und Alt in Hohentengen und Mengen. Mit einem großen Transparent grüßten die Lebensräume-Bewohnerinnen und Bewohner in Hohentengen. In den Lebensräumen in Mengen stand bei der Geburtstagsfeier im schönen großen Quartierstreff die Geschichte der Stiftung im Mittelpunkt.…

Geburtstag in der Teilhabewerkstatt in Liebenau

Geburtstag in der Teilhabewerkstatt in Liebenau – Mit großem Hallo ließen die Beschäftigten der Teilhabewerkstatt am Donnerstagnachmittag das Geburtstagskind Stiftung Liebenau hochleben. Auf allen Monitoren lief die Jubiläumsshow, dazu gab es Kaffee und Kuchen für alle.

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Die Stiftung Liebenau konnte vor 150 Jahren ihre Arbeit nur dank hilfsbereiter Menschen beginnen. Auch heute brauchen wir Spenden. Nur so können wir hilfesuchende Menschen unterstützen: Menschen mit Behinderungen, ältere Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche und Familien, die in Not sind. Ihre Jubiläumsspende trägt dazu bei, dass jeder Mensch überall dazu gehört.

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